Wurden mächtig grosse Schwerter bereits im Hochmittelalter verwendet? - die Klingen des Typs Xa, XI, sowie XIIa & XIIIa nach Oakeshott

  • Dieser reißerische Titel könnte so in der Art auch aus der "Blödzeitung" stammen... das gebe ich zu. 8o Es ist aber tatsächlich ein Punkt, auf den ich schon etliche Jahre hinweise und den ich damals - wie auch heute noch - in der darstellenden "Hochmittelalter-Szene" kaum berücksichtigt finde. Schwerter tragen/verwenden doch etliche Leute in ihren Darstellungen, aber... diese sind mit Gesamtlängen im +- 90cm-Bereich oft viel zu kurz umgesetzt!

    Sicher, im 13. Jhd. waren die "grossen einhändigen" Typen, wie die oben genannten Klingen des Types Xa und XI bereits wieder aus der Mode und es entwickelten sich in der 2. Hälfte des 13. Jhd. dann schon die frühen langen Schwerter des Types XIIa & XIIIa heraus, die bereits zweihändig geführt werden konnten. Aber ab dem späten 11. Jhd. & vor allem im 12. Jhd. - und das 12. Jhd. ist meine Darstellungszeit - sind doch etliche einhändig geführte Stücke erhalten, die den "einen Meter" Gesamtlänge teils deutlich überschritten (im 13. Jhd. gibt es dafür auch noch einzelne erhaltene Beispiele).

    Der Klingentyp Xa & vor allem der XI (beide Typen lassen sich teils nur schwer unterscheiden) nach Oakeshott fiel häufiger auch länger aus. Die Klingen, die sich bis zur Spitze (die man "Ort" nennt) meist nicht gross verjüngten und häufig eher fast parallel gestaltet waren, sind gerne bereits alleine schon um die 90cm lang (oft auch länger). Die Orte waren häufig auch nicht spitz, sondern eher ründlich (spatelförmig) ausgeführt. Das die Orte durch Korrosion beschädigt und deshalb eher rund ausfielen, wäre eine mögliche Erklärung dafür. Es gibt allerdings etliche gut erhaltene und vernünftig konservierte Stücke diesen Typs, die ebenfalls eher runde Orte zeigen (die trotzdem geschärft waren). Der Stich war zu dieser Zeit nicht der primäre Einsatzzweck dieser Waffen (obwohl man mit ihnen natürlich auch stechen konnte und dies sicherlich auch tat). Steifere Klingen, die über einen Mittelgrat verfügten - und somit deutlich besser zum stechen geeignet waren - wurden zu dieser Zeit noch nicht verwendet, sie sind dann im Spätmittelalter ein grosses Thema. Man kämpfte im Hochmittelalter eher mit Häuen und Schnitten, da war ein spitzer Ort eher zweitrangig. Gerade vom Pferderücken aus verwendet, gaben die langen Klingen ein Extra an Reichweite. In Ausnahmefällen erreichten Schwerter (mit Einhandgriff!) auch Gesamtlängen um die 120cm. Längen um die 110cm waren keine Seltenheit. Der von mir sehr geschätzte Maciej Kopuich (auch bekannt als "Swordmaker") hat im März diesen Jahres erst wieder einige Daten von Originalen zu diesem Thema publiziert.

    Die ersten zwei dieser eher gross ausfallenden Schwerter aus meinem Bestand möchte ich euch heute gerne einmal vorstellen. <3

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    (Bildquelle: myarmoury.com & ich)

    Bild oben: Diese grosse Klinge eines Oakeshott Xa ist an der Basis 5,5cm breit und etwas über 91cm lang. Das Schwert hat eine Gesamtlänge 106cm und wiegt 1331g. Die Klinge stammt ursprünglich von Hanwei und wurde von Alojz Krišto aus Kroatien noch einmal nachbearbeitet, vernünftig geschliffen und ordentlich geschärft. Die zeitgenössisch passende Parierstange im Stil 1 nach Oakeshott, sowie den Knauf im Typ B hat er ebenfalls für dieses Schwert geschmiedet und letztendlich alles montiert und vernietet. Seit 2018 befindet sich dieses Stück in meiner Sammlung. Unten in der Collage sind für euch noch ein paar ähnlich grosse erhaltene Schwerter (ebenfalls mit ähnlichen Paranussknäufen und Parierstangen) um 1200 angeführt, an denen sich diese Interpretation anlehnt.


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    (Bildquelle: ich)

    Bild oben: Bei diesem Schwert, dass sich stark an den Typ Xa.10 aus E. Oakeshott's Buch "Records of the Medieval Sword" anlehnt, handelt es sich ebenfalls um einen der eher "grossen Brocken".

    Das Schwert ist mit einer 94cm langen Klinge, ebenfalls des Typs Xa, ausgestattet. Die sehr schlanke Hohlkehle verläuft ca. über 3/4 der Klinge, die an der Basis über 5cm breit ist und am Ort eher auch rund/spatenförmig ausläuft. Die ausladende Parierstange, wie man sie in dieser Art im 11. und 12. Jhd. ebenfalls immer wieder findet, ist im Stil 1 gehalten und überschreitet eine Länge von 27cm.

    Auch der Griff fällt bei diesem Stück etwas länger als üblich aus und misst hier stattliche 13,5cm. Die Griffe sind normalerweise bei hochmittelalterlichen Schwertern sonst eher kurz gehalten und überschreiten die 10cm-Marke nur selten.

    Der Knauf schiesst nach meinem Empfinden hier den Vogel völlig ab! :love: Es handelt sich dabei um einen Typ N nach Oakeshott, in einer wirklich speziellen Form. Diese Variante fehlte mir noch als einer der letzten für den Bereich der "paranussknaufartigen Knäufe". Die Proportionen passen im direkten Vergleich mit der Vorlage soweit ganz gut und so wundert es nicht, dass die Gesamtlänge mit 111,5 cm nur ganz knapp über der des Originales liegt. Das Schwert, dass vor einigen Jahren in Polen von "Errementaris" (findet man unter dem Namen bei Facebook) gefertigt wurde, ist wunderbar "organisch" umgesetzt und glänzt mit zahlreichen Asymmetrien. So mag ich es! Ob er aktuell noch Stücke fertigt, kann ich nicht sagen. Es ist ziemlich ruhig auf den Seite. Eine recht vernünftige Scheide, die von einem anderen Handwerker stammt, ist für dieses Stück ebenfalls vorhanden.

    Das wären mal meine beiden Xa zu diesem Thema. Von den Schwertern mit Typ XI-Klingen muss ich erst noch vernünftige Fotos machen. Die zeige ich euch gerne ein anderes mal. :)

    Klasse würde ich es jedenfalls finden, wenn es mehr Darsteller, nicht nur - aber auch - für den Zeitraum des 12. Jhd. gäbe, die sich für ihre militärische Darstellung, oder auch für representative Zwecke in ihrer Darstellung, mehr an den Abmessungen der im Original erhalten Schwerter orientieren würden. Sicher, nicht alle Schwerter aus dieser Zeit waren so lange Brecher, aber die allermeisten Stücke waren länger als die Nachbildungen, die man in der "Mittelalterszene" (inkl. Living History) so vorfindet. :*:thumbup:

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