Das schwere Los der niederständigen Darstellung

  • Bitte! Es soll sich niemand angegriffen fühlen, der eine gehobene Darstellung macht.
    Ich beobachtete das seit ein paar Jahren und hätte gerne mal Eure ehrliche Einschätzung darüber, ob das fehlen an niederständigen Darstellungen vielleicht damit zu tun hat.

    Was -meiner Meinung nach - viele davon abhält einen einfache, niederständige Darstellung zu machen ist:

    Der Anfänger stellt einen Knecht oder eine Magd dar und die, die schon länger dabei sind, machen "natürlich" (achtung Ironie) Handwerker/Kaufleute mit besserer Ausstattung oder Niederadel / Adel.

    Ich beobachte immer wieder das Phänomen - ob bewußt oder unbewußt, sei mal dahergestellt - in ein Schubladendenken zu rutschen.
    Dass "Mindestausstattung" gleichtgesetzt wird mit niederständig Ausstattung = Anfänger aber auch als der Mitspieler (der mal so auf eine Veranstaltung mitkommt) oder Weiterentwicklungsdefensive.
    Es gibt so viele Darstellungen die kommen mit einer weniger repräsentativen Austattung aus und insbesondere vor dem Hintergrund zu viele Häuptlinge zu wenig Indianer. Mägde, Knechte (was grob nur der Überbegriff ist für alle die im "Dienstleitungsgewerbe" tätig sind) oder Taglöhner (die im Handwerk, Bau oder in der Ländwirtschaft tätig sind). Es ist viel komplizierter eine gepflegte aber alltagsgebrauchte Kleidung (nicht billige und verranzte) und einen vollständigen niederständige Haushalt zu haben, als neue Kleidung und hochwertige Sachen.
    Ich betrachte mir dazu immer die Veranstaltungsbilder, wo der arbeitende, verschwitzte, auch mal dreckige Anteil der Darsteller oft schlecht weggkommt. Ich beobachte die Besucher, wer gefragt wird, wenn man Auskunft möchte. Ich lese die Kommentare unter Post, wenn es um die "einfachen" Themen geht.

    Ich glaube, viele hält diese Schublade davon ab, eine niederständige Darstellung zu machen, dabei hat faktisch - was wir alle wissen - inhaltliche Kompetenz nicht mit dem äußeren Erscheinungsbild zu tun. Umgekehrt, die Recherleistung für diese Darstellungen liegt vermutlich höher, als bei gut dokumentierten Bereichen.

    Bin an euerer Meinung interessiert.

  • Ich habe die Erfahrung gemacht, dass alles was nicht Adel ist schwierig zum recherchieren ist. Ein normaler Handwerkermeister - egal welchen Beruf er ausübt - ist schon sehr schwierig. Es gibt zwar einige Bilder, aber das sind einfache Berufsbilder wo die Arbeit gezeigt wird und man mit etwas Glück auch die passenden Werkzeuge sieht. Die Kleidung ist irgendwie immer die gleiche und es gibt nur wenig Anhaltspunkte was sonst noch dazu gehört.

    Dazu kommt, dass ein Handwerkermeister mit grosser Wahrscheinlichkeit einen Gesellen und vielleicht auch noch einen Lehrling hatte. Wie hat ihre Kleidung ausgesehen? Ein Geselle hat nicht so viel Geld gehabt wie der Meister und der Lehrling hat oft sogar bei seinem Lehrmeister gewohnt. Musste er vielleicht Kleider von seinem Meister "nachtragen" wenn sie dieser nicht mehr wollte?

    Mit grosser Wahrscheinlichkeit haben auch Söhne in der Werkstatt mit geholfen, aber ab welchem Alter hab ich bis jetzt noch nicht heraus gefunden. Damit sind wir bei den Kinderkleidern: Wie hat die ausgesehen? Eine Miniversion der Erwachsenen? Ab welchem Alter hat der Sohn die gleiche Kleidung (Bruche und Beinlinge) getragen wie der Vater? Der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass das ab etwa 7 Jahren gewesen sein muss - dann können die Kinder in der Regel die Bänder selber fest machen damit nichts rutscht.

    Bleiben wir in der Familie: Wie hat die Kledung von Frau und Tochter ausgesehen? Klar ist, dass es ein langes Kleid ist. Bei der Frau mit grosser Wahrscheinlichkeit bodenlang, aber nicht Überlänge. Gerade so, dass man die Füsse nicht sieht. Bei der Tochter etwa knöchellang wenn sie noch nicht im Teenageralter ist. Danach wie die Mutter.

    So habe ich es für meine Handwerker-Familie interpretiert. Grundlage ist der niedere Adel, weil es davon viele Bilder gibt, aber stark vereinfacht. Also alles auf die Länge die zum arbeiten geht, Knöpfe lass ich weg und auf komplizierte Verzierungen verzichte ich. Dann haben wir ungefähr die Alltagskleidung einer Handwerker-Familie in der Stadt.

    Eine Bekannte von mir hat die Darstellung einer Magd um 1300 gewählt. Eine knapp bodenlange Cotte (man muss ja damit arbeiten können) in hellem gelb-grün, eine braune Cappa und ein "Wickelkopftuch". Für den Sommer hat sie einen Strohhut. Es sieht super aus und wenn wir zusammen unterwegs sind ist für eingeweihte durchaus sichtbar wer Meisterin und wer Magd ist.

    Ein kleiner Tipp für den Stoffkauf: Wer beim Färber Stoffe kauft kann wählen. Adlige wählen leuchtende Farben, wer nicht so viel Geld hat nimmt solche die heller sind und/oder einfacher zum färben. Damals wurde so lange gefärbt wie es genug Farbpigmente hatte. So ist der zweite und dritte Auszug immer etwas heller und damit günstiger gewesen. Es ist genau so schön wie die anderen Farben ohne, dass es gebraucht aussieht.

    "Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt." von Albert Einstein

    Der Schweizer Mittelalterkalender: http://www.mirimor.ch (Quelle=Link)

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