Eisenlöffel aus Grab Bj. 644 / Birka
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Material: Eisen
Länge gesamt: ca. 23 cm
Abmessungen Löffel: ca. 7 x 4 cm
Anspruch: fundnah / belegorientiert (mögliche Rekonstruktion mit ergänzender Interpretation)
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In Kammergrab Bj. 644 in Birka fand sich neben zahlreichen anderen Beigaben auch ein Löffelblatt ohne Griff. Das wäre an sich nichts besonderes, wäre der Löffel nicht aus Eisen.
Während der Großteil aller frühmittelalterlichen Löffel gewöhnlich aus Horn oder Holz besteht, stellt der Eisenlöffel ein einzigartiges Exemplar ohne Parallelen dar. Löffel aus Eisen - oder ganz allgemein Metall - kommen im sonstigen Fundgut nicht vor.
Der fehlende Griff erschwert die Einordnung dieses Löffels zusätzlich.
Einen kleinen Hinweis liefert die Beschreibung in Birka I: "[...] auf der Innenseite kleine aber deutliche Spuren von Vergoldung [...]"
Dies deutet auf einen hohen Wert des Löffels hin und macht eine einfache Verwendung im Alltag recht unwahrscheinlich.
Auch Größe und Form des Löffels sind außergewöhnlich und weichen von den sonstigen Funden ab.
Eine mögliche Parallele findet sich im fernen Byzanz. Dort waren - wie auch an anderen Orten des spätrömischen Reichs - im kirchlichen Kontext sogenannte 'Kommunions-Löffel' in Gebrauch. Diese wurden im liturgischen Rahmen während der heiligen Kommunion verwendet, um den Gläubigen die Hostien in den Mund zu geben, ohne dass diese sie mit den Fingern berühren mussten.
Diese Löffel bestehen in der Regel aus Silber, teilweise reich verziert und bisweilen mit christlichen Symbolen und Schriften versehen.
Bei diesen Löffeln sind Löffelblatt und Stiel vertikal gegeneinander versetzt mit einem dazwischen angebrachten flachen Zylinder.
Diese Konstruktion begünstigt bei Korrosion eine Trennung der Verbindung, was das einzelne Löffelblatt in Bj. 644 erklären könnte.
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Die Kombination aus drei Faktoren hat mich dazu bewogen, den Fund als möglichen Byzantinischen Liturgie-Löffel (oder eine daran angelehnte Nachbildung) zu interpretieren:
- die Form des Löffels ähnelt sehr stark denen aus Byzanz
- das verwendete Material ist sehr hochwertig (Silber bzw. vergoldetes Eisen)
- die passende Fragmentierung an einer typischen Sollbruchstelle
Zunächst habe ich aus einem 1mm dicken Eisenblech die Form des Löffels ausgeschnitten. Das Blech habe ich in der Esse erhitzt und immer wieder im glühenden Zustand mit einem Rundkopfhammer auf dem Amboss langsam in Form gehämmert. Da ich sowas das erste Mal gemacht habe, hat der Vorgang rund eine Stunde gedauert. Im Nachhinein hätte ich lieber ein 2mm dickes Blech verwenden sollen, denn der Löffel ist durch das Hämmern an einigen Stellen schon recht dünn geworden.
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Als nächstes habe ich ein 16 cm langes Stück Rundeisen an einer Seite zu einem Vierkant ausgeschmiedet, so wie man es auch bei den Vergleichsfunden sieht. Zusätzlich habe ich in das andere Ende ein paar Verzierungen hinein gefeilt, analog zu den Byzantinischen Löffeln.
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Beide Teile habe ich durch Hartlöten mit einer dicken Scheibe miteinander verbunden und das dünne Ende des Löffelblatts zusätzlich ein wenig verstärkt, so wie man es ebenfalls regelmäßig beobachten kann. Ob das Original ebenfalls verstärkt ist lässt sich anhand der Fundbilder leider nicht feststellen.
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Zuletzt habe ich den Löffel abgeschliffen und poliert. Das Löffelblatt weist noch deutliche Bearbeitungsspuren auf. Da fehlte mir ehrlich gesagt die Geduld und die Lust, das dünne Blech komplett plan zu hämmern.
Auf eine Vergoldung habe ich verzichtet.
Wie oben ausgeführt beruht meine Rekonstruktion auf möglichen Analogien, Annahmen und Interpretationen. Ob die Gedankengänge dazu schlüssig und akzeptabel sind muss jeder für sich selbst entscheiden.
Zeitaufwand: gut 4 Stunden