'Kochmesser' nach Birka

  • 'Kochmesser' nach Birka-Art

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    Material: Stahl, Neusilber, Bronze, Walnussholz

    Abmessungen: 23 cm lang, Klinge: 11 x 4 cm

    Grundlage: Bj. 903 & Bj. 1081

    Anspruch: fundangelehnt

    Wir hatten vorhin kurz das Thema 'mögliches Recycling von gebrochenen Bügelscheren' gestreift. Deswegen hier eine passende Rekonstruktion, die ich vor zwei Jahren einmal angefertigt hatte.

    Beim Großteil aller frühmittelalterlichen Messerklingen finden wir eine sogenannte 'mittelständige' Angelkonstruktion. Also eine Angel, die mehr oder weniger mittig an der Klinge ansetzt.

    Ziemlich selten finden sich Exemplare mit einer 'oberständigen' Angel, die deutlich nach oben zum Messerrücken hin verschoben ist, und teilweise mit diesem in einer Linie verläuft. Für Haithabu beispielsweise beträgt ihr Anteil am Fundmaterial weniger als 3%.

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    Noch deutlich seltener und eher schon als Einzelfunde zu verzeichnen, sind einige wenige dieser Klingen überdurchschnittlich breit ausgeführt. Ihr Rücken verläuft gerade und fällt zur Spitze hin nicht ab, die Klinge beschreibt die Form eines Dreiecks, mit entweder gerader, oder in langem Bogen geschwungener Schneide.

    Ihre Form erinnert stark an die Klingen damaliger Bügelscheren. Es erscheint auch sehr naheliegend, gebrochene Scheren einfach zu Messern umzuarbeiten. Im Grunde reicht es aus, dafür nur den Bügel der Schere zur Angel umzuschmieden, und einen Griff aufzusetzen.

    P. Westphalen widerspricht - zumindest für Haithabu - dieser Theorie in den 'Eisenfunden von Haithabu', und begründet dies in Kapitel 5.6 mit: "Der Messertyp 8 hebt sich von Bügelscherenfragmenten durch seinen nicht quer zum Blatt stehenden Griffquerschnitt ab."

    Nichtsdestotrotz existieren Funde, die diese Aussage widerlegen. Beispielsweise ein Fund aus Lund (leider bereits 13. Jahrhundert), bei dem eine Bügelschere völlig eindeutig zu einem Kindermesser umgearbeitet worden ist.

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    Für Birka findet sich in Grab Bj. 903 ein besonders großes Exemplar dieser Klingenformen, welches stark an unsere modernen Kochmesser erinnert.

    Das Fragment hat (ohne Angel) eine stattliche Breite von rund 3,5 cm und gut 10 cm Länge, und wird mit "[...] breites Blatt, schmale runde abgebrochene Griffangel [...]" beschrieben.

    Die runde Angel passt interessanterweise wieder zu einigen der Scheren in Birka, die auch über einen runden Bügel verfügt haben.

    Meine Klinge habe ich aus einem einfachen C60 Stahl erst grob in Form geschmiedet, dann per Hand zurecht gefeilt, und anschließend in Öl gehärtet.

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    Der Griff ist aus Walnussholz aus dem Garten meiner Eltern gefertigt. Ich war neugierig, ob es sich mit Eisenessig genauso schön dunkeln lässt wie Eiche. Wie man sehr deutlich sieht, funktioniert das sogar ganz hervorragend ;)

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    Zur Verzierung habe ich im vorderen Bereich des Griffes Wicklungen aus Draht angebracht.

    Diese bestehen aus eng gedrehtem Neusilber- und Bronzedraht mit je 1mm Durchmesser, je einmal in Z- und S-Drehung. Zur besseren Formbarkeit habe ich die verdrehten Drähte etwas flach gehämmert und danach weich geglüht. Durch die gegenläufige Drehung entsteht ein schönes Fischgrat Muster.

    Dieses ist der Griffverzierung des Messers aus Bj. 1081 nachempfunden, welches ebenfalls aus Bronze- und Silberdraht ein zweifarbiges Fischgratmuster bildet.

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    Beim Einschlagen der glühenden Angel bin ich leider einmal mit dem Hammer abgerutscht, und nun sitzt der Griff leicht schräg.

    Ärgert mich zwar, aber da ich den Griff nicht nochmal neu machen möchte, und das Messer nur für den Eigenbedarf gedacht ist, bleibt das jetzt so.

    Das Messer erinnert sehr stark an unsere rezenten Kochmesser (genau deswegen habe ich es mir angefertigt) und führt sich ganz hervorragend. Schöne Balance, schwer genug für Fleisch & Co, und gleichzeitig ist die Klinge auch für feinere Sachen wie Kräuter gut geeignet.

    Ob diese Form auch schon im Frühmittelalter eine spezielle Verwendung in der Küche gefunden hat? Interessante Frage, aber wir werden es wohl nie erfahren ;)

    Zeitaufwand: zwei Abende plus ein Nachmittag

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