Fragen zur Recherche "Wikingerkleidung", Interpretation vs. Fakten

  • In Threads im Bereich Recherche Online wurden Videos von A- Papst Productions zum Thema "Kleidung in Haithabu um 900/ 1000 n.Chr." verlinkt. Diese Kleidung sieht so um einiges anders aus als das was uns in verschiedensten Formen als "typische" Kleidung dargestellt wird. Hier zu möchte ich mich jetzt selbst zitieren:

    Zitat

    Ich habe zB ein Problem an Frümi Darstellern mit den oft zu sehenden ausufernden Bortenbesätzen oder teils riesigen Stoffbelegen an Halsausschnitt, Schultern, Ärmel und Bund. Gab es das wirklich so inflationär oder eher nicht? Wenn ja in welchem Gebiet? Welche Volksgruppen? Ich sehe das an nordischen Darstellungen, Merowingern und Karolingern. Wobei ich Bildnachweise für Stoffbelege nur von letzteren kenne.

    Oder bei Frauendarstellungen die teilweise riesigen Ovalfibeln, mehrreihige Glasperlenketten, Hängerkleider uvm. Gab es schon, doch soweit ich weiss eher im Bereich Birka.

    Ingesamt ist festzustellen, dass irgendwie einer vom anderen (oft schlecht) kopiert und die Anleihen der Kleidung oft aus Filmen und Serien übernommen scheinen. Was entspricht denn mehr dem Stand der Forschung, was gab es tatsächlich, was ist mehr als Filmrequisite zu sehen, wo sind unterschiedliche Ausstattungen räumlich einzuordnen?

    Nehmen wir typische oft zu sehende Outfits:

    Frau

    1. Langärmeliges Kleid tlw mit Stickereien, Borten und/ oder großflächigen Stoffbelegen
    2. Überkleid als Schürze
    3. Mantelkleid oft wie 1 verziert, manchmal mit Fellbesatz an Kragen und Bund
    4. große auffällige Schalenfibeln
    5. mehrreihige Glasperlenketten
    6. Gürtel mit viel Blingbling

    Mann

    1. etwa bis Mitte Oberschenkel reichende Tunika ebenfalls oft mit Stickereien, Borten und/ oder großflächigen Stoffbelegen
    2. Pluderhose, meist mit Beinröhren versehen
    3. Klappenmantel, hier ebenfalls oft Stoffbelege in kontrastierenden Farben
    4. Zipfel-, Pelz- oder nadelgebundene Mütze
    5. Gürtel mit sehr viel Blingbling

    Meinem Eindruck nach sind das wüste Stilmischungen aus verschiedenen Fundorten, doch was genau ist denn "typisch" für die einzelnen bekannteren Fundorte?

    Für Haithabu/ Hedeby können die bereits genannten Videos oder der Leitfaden von Aisling als Basis heran gezogen werden, doch wie sehen die Darstellungen aus wenn es mehr in Richtung Roskilde, Birka, Gotland, Nowgorod usw. gehen soll? Gibt es empfehlenswerte Seiten die sich Anfänger näher anschauen sollten?

  • Vieles basiert auf Spekulationen, bei denen man sich teilweise stark an Vergleichsfunden orientieren muss. Dabei kann nur jeder für sich entscheiden, was er/sie als zulässig erachtet.

    Beispielsweise eine einfache Hose - da gibt es absolut nichts aus dieser Zeit. Also muss man auf Thorsberg oder Damendorf ausweichen. Finden manche schon sehr weit hergeholt.

    Pluderhose - drei sehr fragmentierte mögliche Funde aus Haithabu, und das war es auch schon für drei Jahrhunderte und ganz Nordeuropa.

    Etliche Bilder dazu auf Steinen, dementsprechend detailarm, und noch dazu auf Gotland. Eine Handvoll Schmuck, verteilt über Schweden, Norwegen und Dänemark. Okay, dann noch die Reiseberichte von einigen Arabischen Gelehrten, bei denen aber auch einer beim anderen angeschrieben hat, und keiner genau weiß, wer von denen jetzt wen oder was wo genau gesehen hat.

    Gleiches auch bei Kopfbedeckungen. Da kann mir keiner erzählen, dass niemand in Haithabu jemals was auf dem Kopf getragen hat. An der Küste. Bei Wind und Wetter. Als Seefahrer. Und nein, das waren nicht ausnahmslos knallharte Jungs, die einfach nur gerne permanent gefroren haben. Die waren ja auch nicht doof damals.

    Da gibt es einen einzigen Fund. Aus einem Brunnen, also 'nur' einen Streufund.

    Hat 'man' das so in Haithabu getragen? Zu welcher Zeit? Welche soziale Schicht?

    Oder hat den nur ein Besucher dort verloren? Denn Parallelen dazu gibt es erst in Friesland.

    Kann man diese Mütze also guten Gewissens für eine Haithabu-Darstellung verwenden?

    Die einen sagen "Ja, denn irgendwas haben die bestimmt getragen, und was anderes haben wir halt nicht."

    Die anderen erwidern "Nein, denn es ist ein singulärer Streufund ohne jegliche regionale Parallelen."

    Beide Meinungen sind erstmal nachvollziehbar und logisch begründet.

    Dennoch muss jeder für sich selbst entscheiden, was er daraus macht.

    Deswegen gibt es für viele Regionen interessante Ansätze und Darstellungen, aber nichts davon ist einwandfrei und unzweifelhaft belegbar.

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