Wachstafel-Set nach Fund aus York

  • Wachstafel-Set nach Fund aus York

    Originalfund: YORYM 1989.28

    Abmessungen: 3 x 5 x 0,3 cm

    Material Tafeln: Buchenholz mit rußgeschwärztem Bienenwachs

    Material Tasche: vegetabil gegerbtes Ziegenleder

    Stylus: Eisen

    Zeit: 14./15. Jahrhundert

    Anspruch: fundnah / belegorientiert

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    Bereits seit der Antike benutzen die Menschen Wachstafeln, um ihre Notizen und Gedanken festzuhalten. Sie bestehen meist aus rechteckigen Holztafeln mit einem umlaufenden Rand bzw. einer leichten Vertiefung in der Mitte, die mit Wachs ausgegossen ist. Je nach Verwendungszweck variieren die Abmessungen üblicherweise zwischen handlicher Notizbuch-Größe bis zum DIN-A4-Format.

    Ein ganz besonderes Exemplar wurde in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts bei Ausgrabungen in York entdeckt, bei der eine Reihe von Gruben in den Hinterhöfen der mittelalterlichen Grundstücke vor Swinegate 12-18 ausgehoben wurde.

    Eine dieser Gruben aus der Mitte des 14. Jahrhunderts brachte einen kleinen Lederbeutel hervor, aus dem die Enden mehrerer dünner Holzplatten herausragten. Diese erwiesen sich als Schreibtafeln aus Holz und Wachs.

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    Bemerkenswert ist deren Größe. Jede Tafel misst nur 3 x 5 cm, bei einer Dicke von gerade einmal 1,5 mm! Als ob das noch nicht dünn genug wäre, sind diese Täfelchen auch noch von beiden Seiten mit Wachs gefüllt… wirklich eine bemerkenswert filigrane Arbeit.

    Wie schon so oft stellt dieser Fund eine kleine Kuriosität dar, die ich unbedingt einmal nachbauen wollte.

    Meine Rekonstruktion habe ich aus Buchenholz gefertigt. Ausgangsmaterial war eine handelsübliche Holzleiste aus dem Baumarkt, die ich zunächst auf eine Dicke von 3mm herunter geschnitzt habe. Die Originaldicke von 1,5 mm habe ich mir nicht zugetraut, das Ganze war auch so schon fummelig genug. Ich habe die Ecken gerundet und die Tafeln ringsum glatt geschliffen.

    Für die Vertiefungen habe ich einen Stechbeitel verwendet, wie es gemäß Untersuchungen auch beim Original der Fall war.

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    Viele Menschen vermuten übrigens, dass so eine Wachsschicht recht dick (gewesen) sei, und der Schreiber die Buchstaben tief in das Wachs hinein gedrückt habe, damit man überhaupt etwas lesen kann.

    Nun, im Grunde alle jemals untersuchten Wachstafeln zeigen genau das Gegenteil. Die Wachsschichten darauf sind in der Regel nur 1-2mm dick.

    Wie man hier bei diesem Fund eindrucksvoll sehen kann reicht sogar ein halber Millimeter bereits aus.

    Bei einer glatten Wachsoberfläche sind schon leichte Einritzungen sehr gut lesbar.

    Die Vertiefungen im Holz habe ich - wie recht häufig im Fundgut festgestellt - mit kreuzförmigen Linien versehen, damit die Wachsschicht besser hält. Das Wachs selbst ist rußgeschwärztes Bienenwachs, welches ich über einer Flamme erhitzt und dann auf die Tafeln getropft habe. Anschließend habe ich es im noch warmen Zustand glatt gestrichen, so dass jede Schicht bis knapp unterhalb der Kante der Vertiefung reicht. Dadurch lassen sich die Tafeln gut stapeln, ohne dass sie miteinander verkleben oder die Schrift gestört wird.

    Zwei der Tafeln tragen jeweils auf der Vorder- und Rückseite eine Wachsschicht, und zwei weitere nur eine. So können - wie beim Original - die Tafeln gestapelt und praktisch transportiert werden.

    Hierzu habe ich aus vegetabil gegerbtem Ziegenleder ein kleines Etui genäht und das Leder danach gefettet.

    Für den Stylus habe ich ein Rundeisen an der einen Seite flach und an der anderen Seite sehr spitz ausgeschmiedet. Das ist eine der klassischen und auch 'zeitlosen' Formen, wie sie sich quer durch die Jahrhunderte überall wiederfindet.

    Abweichungen zum Originalfund: das Original besteht aus acht Tafeln. Für den Versuch einer Rekonstruktion reichen mir jedoch vier Stück völlig aus.

    Das Lederetui des Fundes war vermutlich eine Art Box aus gehärtetem Leder mit einem separaten Deckel.

    Sowas habe ich noch nie ausprobiert, und wollte es ehrlich gesagt bei so einem kleinen Objekt auch nicht das erste Mal testen.

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