'Dessous' à la Damendorf

  • 'Dessous' à la Damendorf

    Anspruch: spekulativ nach Fund

    Material: ca. 120 Jahre altes handgewebtes Bauernleinen

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    Letztes Jahr beobachtete ich auf einer Veranstaltung einen älteren Darsteller, gekleidet mit Beinlingen und recht kurzer Tunika. Als er sich vornüber bückte um etwas aufzuheben, gewährte er allumfassende Einblicke in seine privatesten frühstmittelalterlichen Heiligtümer.

    Das war dann deutlich mehr Information als mir lieb war ;)

    In dem Moment war mir klar - authentisch hin oder her - dass ich es so NICHT machen wollte.

    Also begab ich mich auf die Suche nach passender Unterbekleidung für meine Haithabu-Darstellung.

    Wie ich schnell feststellen musste, war das wikingerzeitliche Dessous-Portfolio offenbar ziemlich überschaubar. Wenn man nach den Funden geht, bestand die Unterwäsche anscheinend aus einem Hauch von Nichts, mit einer deutlichen Tendenz zu 'nichts' ;)

    Ein kleiner Hinweis auf Unterwäsche findet sich mit etwas gutem Willen in den Island-Sagas, aber das war's dann auch schon.

    Eine Nachfrage in einigen Gruppen ergab, dass besonders im englischsprachigen Raum zahlreiche DarstellerInnen tatsächlich im Adam- und Eva-Kostüm unter ihren Klamotten herum laufen. Das mag bei einem Teil der Darsteller ja vielleicht eine durchaus reizvolle Vorstellung sein, aber aus den oben geschilderten Gründen der Ästhetik möchte ich bei meiner Darstellung definitiv darauf verzichten :)

    Es gibt noch die Theorie des Leinentuchs, welches im Handtuch/Windelstil zwischen den Beinen gelegt und am Saum gerollt/gefaltet wird. Vielleicht bin ich einfach nur zu dick oder zu doof, jedenfalls habe ich keine Methode gefunden, das sicher an meinem Körper zu befestigen, ohne dass es sich nach kurzer Zeit wieder aufdröselt und rutscht. Ergo - taugt nix für mich.

    Allerdings hört man auch immer wieder den Ansatz, sich einfach am Schnitt für belegte Hosen zu orientieren und die Beine entsprechend zu kürzen. Möglicherweise haben die Menschen damals ja auch ausgemusterte Hosen umfunktioniert und als Unterwäsche genutzt…

    Warum auch nicht, klingt soweit ja logisch.

    Unter den Hosenfunden fiel meine Wahl auf das Exemplar von Damendorf. Einfache geometrische Teile, nur wenig Maßnehmen am eigenen Körper nötig, kaum Verschnitt. Zwei gerade Beinteile, ein rechteckiges Stück für hinten, zwei Keile. Perfekt.

    Beim Betrachten des Schnittmusters habe ich mich dann gefragt, ob bei der Ausführung als kurze Hose die Einzelteile überhaupt notwendig sind, oder ob sich die Hose auch aus einem Stück fertigen lässt (ähnlich wie bei Marx-Etzel).

    Also die Teile mal direkt aneinander gelegt, und siehe da - passt.

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    Also an mir Maß genommen, auf ein Stück Leinen übertragen, ausgeschnitten, und zusammen genäht. Zwei gerade Nähte, eine runde Naht, alles mit geschlossener Kappnaht versäubert, und oben am Bund ein paar Gürtelschlaufen (aus den Verschnitt-Teilen) angesetzt.

    Für den Gürtel habe ich zwei lange Leinenbänder genäht, diese mittig verbunden, und auf der einen Seite zwei Schlaufen gebildet. Durch diese Schlaufen gehen die beiden freien Enden hindurch und lassen sich mit einer Halbschleife sicher fixieren. Wenn's mal schnell gehen muss, sind diese mit einem Handgriff wieder offen ;)

    Die Mittelnaht habe ich noch mit einem Rest krappgefärbten Wollgarns verziert.

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    Insgesamt trägt sich das Ding wie eine leichte Sommershorts. Mit angenestelten Beinlingen kann man beides sogar zusammen an- und ausziehen, ohne die Beinlinge vorher lösen zu müssen. Das macht die gesamte Konstruktion unendlich praktisch, wenn man mal 'für kleine Wikinger' irgendwohin muß :)

    Nochmal zur Sicherheit - Konstruktion und Verwendungszweck sind rein spekulativ, lediglich an einen Fund angelehnt, und weder belegt noch sauber belegbar.

    Falls jemand trotzdem so einen Damendorf-Schlüppi nachnähen möchte, habe ich noch eine kleine Anleitung zum Maßnehmen und ein Schnittmuster erstellt.

    Zeitaufwand für alles: zwei Abende

    Unterhose nach Damendorf 1.jpg

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