Wer machte im Handwerk was ?

  • Angeregt von der aktuellen Diskussion in der Taverne frage ich mal, was ich mich schon oft gefragt hab :

    wie waren die Arbeiten in einer Werkstatt auf die Personen verschiedenen Alters verteilt ?

    Gerade bei den kunstvollen Beinarbeiten denke ich oft, da müssen doch lauter junge Hüpfer am Werk gewesen sein. Diese Linien, das Filigrane da braucht es gut Augen und eine ruhige Hand. Schaut man heute wie hoch der Prozentsatz der Brillenträger ist, kann man sich vorstellen das damals nicht allzuviele Menschen wirklich in Frage kamen. Und dann das man ein Zeitfenster hatte bis die Altersweitsichtigkeit einsetze, und der Zenit der Kunstfertigkeit überschritten war. Nicht nur bei den Beinarbeiten sondern eigentlich bei sämtlichen Handwerken, ob es nun die Weberei, Schneiderei, Tischlern, Goldschmieden und was es sonst noch gab.

    Fakt ist das man lange gearbeitet hat, das bezeugen die vielen Abbildungen stolzer alter Handwerker der Zwölfbruder Stiftung.

    Dann frage ich mich wie frei war man überhaupt bei der Berufswahl ? Als dritter Sohn einer Familie, gab es keine Werkstatt zu erben und ob die Familie Geld für eine Ausbildung aufbringen konnte ist fraglich. Bleiben die Jobs für Ungelernte ?

    Weiter habe ich gelesen das Männer in Ausbildung nicht heiraten durften, weil die Mittel nicht für eine Familie ausreichten, und das eine Ausbildung im Schnitt 7 Jahre andauerte. (Quelle ist ein Buch über das Zunftwesen)

    Die Möglichkeiten für Frauen, sind deutlich eingeschränkter als die der Männer, das Frauen aber kein Handwerk betrieben ist nicht wahr, gibt es doch in Köln z.B. die Zunft der Seidenspinnerinnen.

    Umgedreht gibt es den Begriff des alten Knackers. Der alte Knacker war ein alter Herr der für die Feldarbeit und anderes nicht mehr fit genug war und in der Textilstube die Haspel betätigte. Manche Haspeln habe einen akustischen Rundzähler eingebaut, es knackt einmal in jeder Runde, so das man die Runden zählen konnte um die Länge des verarbeiteten Garns zu zählen. (da fehlt die zeitliche Einschätzung, die Dinger waren ja bis vor kurzem in Gebrauch)

    Jetzt könnt Ihr weiter überlegen, was wäre aus mir in meiner Darstellungszeit geworden, wer wäre ich wo stünde ich.

  • Da die Gesellschaft eng verzahnt war und sich Gegenseitig getragen hat, ist das ganze Geflecht komplex und muss von verschiedenen Seiten betrachtet werden. Je später im Mittelalter desto enger wird diese Netzwerk.

    Punkt 1: Handwerkerkinder
    Es war üblich, dass alle Kinder im gleichen Gewerk gelernt haben. Die Handwerksmeister haben alle Ihre männlichen Kinder ausbilden lassen und es wird mitlerweile auch davon ausgegangen, dass die Mädchen zumindest mitgelernt haben. Die Jungen blieben, wenn sie nicht die Werkstadt übernahmen, Gesellen ggfs. haben sie einen Tocher eines anderen Meisters oder eine Meisterwitwe geheiratet. Wenn der älteste Sohn verstarb, dann musst der Fortbestand des Betriebes gesichert bleiben, daher ist es sehr unklug, die Kinder nicht ausbilden zu lassen. Was auch für die Mädchen gilt, denn die wurden ja wiederum in der Regel auch im gleichen Gewerk verheiratet. Die Kinder gingen noch als Kind in die Lehre, wenn diese dann 7 Jahre dauerte, dann waren das junge Erwachsene. Das durchschnittliche Heiratsalter der Männder liegt bei 25, das der Frauen darunter. Immer wieder ließt man ja von den Kinderehen vor allem im Adel, aber das sind keine vollzogenen Ehen, sondern Heiratsversprechen. In den Chroniken ist immer auch erwähnt wann die Ehe dann durch das bezeugte im Bett liegen, geschlossen war.

    Punkt 2: Frauen im Handwerk:
    Frauenzünfte bilden die Ausnahme und Frauen als Meisterinnen auch, aber das soll heißt nicht, dass die Arbeitsleistung der Frauen im Handwerk nicht gewürdigt oder gebraucht wurde. Im Gegenteil, ohne die Arbeitsleistung der Frauen funktionierte die Gesellschaft nicht. Aber es muss von einer Arbeitsteilung (Mann und Frau haben unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte gehabt) ausgegangen werden. Erst in der Neuzeit vollzieht sich die massive Verdrängung der Frau aus dem Handwerk, aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage. Die weitgehende "Entrechtung" bis hin zum Berufsausübungs- und Erbverbot kommt noch viel später. Im Spätmittelalter waren viele Frauen Berufstätig. Meist auch gegen Entgeld.

    Punkt 3: Knecht und Magd kein Stand, sondern eine Berufsbezeichnung und die Sache mit dem nicht heiraten
    Erst einmal werden in der zeitgenössischen Literatur, der Geselle auch als Knecht bezechnet. Daher ist hier keine schwarfe Trennung möglich und das führt dazu, dass die Literatur hier oft nicht unterscheidet und oftmals ein wilde Vermischung von Begriffen stattfindet.

    Knechte und Mädge sind in der Regel im Dienstleistungsgewerbe tätig und dort erlernen sie Ihren Beruf, aber es gibt keinen verbrieften Abschluss, wie im Handwerk. Erst mit der entsprechenden ergänzenden Bezeichnung wird der Begriff des Knechtes oder der Magd eineindeutig. In der Stadt spezialsieren sich die Berufe zunehmend. War jemand gut in seinem Beruf, dann sprach sich das rum. Für die Mägde gab es Nürnberg sogar eine Arbeitsvermittlung, die auch eine Qualitätssicherungsfunktion (ähnlich wie bei den Gesellen) hatte.

    Und Knechte und Mägde konnten auch heiraten und hatten Kinder. Diese waren entweder selbst Mädge (also angestellt im Produktionsbetrieben zum Beispiel als Kämmerinnen in der Tuchproduktion) teilweise hatten sie aber auch eigene Gewerbe zum Beispiel als Wäscherin. Angestellte Knechte im städtischen Dienst (im Dienstleistungsgewerbe Wiegeknechte, Türmer ...) waren sogar sehr oft verheiratet und hatten Kinder.

    5. Ungelernte
    Unsere moderne Gesellschaft in der Bildung nur akademische Bildung ist und selbst eine Berufsausbildung ihren Stellenwert zunehmend verliert (Ich hoffe, dass ändert sich irgendwann mal wieder), gelten alle die, die zwar einen Beruf erlernt, aber nicht zertifiziert bekommen haben, als ungelernt. Seltersamerweise gilt dies nicht bei den Kaufleuten, denn auch dort gibt diese haben keinen Berufsabschluss, mag aber daran liegen, dass der Einfluss der Patrizier da noch abfärbt und diese deshalb nicht als ungelernt gelten. Ist ein anderes Thema. Die Bezeichnung ungelernt, ist daher kritisch zu hinterfragen.

    6. Taglöhner
    Den Taglöhner würde man heute als befristeten Arbeitnehmer bezeichnen. Das Lohngefüge richtet sich nach der Tätigkeit. Den Punkt Männerarbeit, Frauenwerk lasse ich mal weg. Wer sich dafür interessiert Empfehle ich die Arbeiten von Dorothee Rippmann.

    Punkt 4: Das Alter und die Gebrechen
    Das es durchaus Handwerker gab, die nicht mehr arbeiten konnten, ist klar aus den Handwerkerstuftungen erkennbar. Ganz prominent: die Nürnberger Zwölfbruderstiftung.

    tbc. muss jetzt essen machen. =)


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