Der Plattenrock bzw. Spangenpanzer und seine Entwicklung im 13.& 14. Jhd.

  • Heute möchte ich mal kurz das Thema "Plattenrock" des 13./14. Jhd. etwas genauer beleuchten.

    "Zustätzlich zum normalen Ringelpanzer trugen die besser gerüsteten Panzerreiter (...) in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (...) einen Plattenrock. Dieser wird in zeitgenössischen Quellen als platen bezeichnet. Sie werden vereinzelt schon in Texten aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erwähnt und setzten sich in der zweiten Hälfte des 13. Jhd. so sehr durch, dass z.B. Heelu in seiner Verschronik über die Schlacht von Wohrringen nur noch von platen spricht wenn er die Körperpanzerung meint (...). Die platen bestanden aus einer Reihe von grösseren (...) Eisenplatten, die meist auf einer Unterlage aus festem Stoff oder Leder aufgenietet waren und unter dem Waffenrock getragen wurden, sodass sie auf Abbildungen nicht zu erkennen sind. Eine andere Möglichkeit bestand darin, die Platten direkt auf der Innenseite des verstärkten Waffenrockes derart zu befestigen, dass die Nietköpfe auf der Aussenseite sichtbar waren. Einen solchen Panzer trägt die die Statue des hl. Mauritius im Magdeburger Dom". (Lehnart, 1150-1320, S. 98)

    Im Bücherstudium zu diesem Rüstungstyp las ich übrigens, dass Heiko Brandl die Statue des Hl. Mauritius in seinem Buch (Brandle, S. 226) auf einen Zeitraum zwischen 1240 und 1250 und Matthias Puhle das selbe Exemplar in seinem Werk (Puhle, S. 106ff) auf einen Zeitraum zwischen 1240 und 1270 datierte. 


    Weiter geht es mit den Plattenröcken des 14. Jhd.: "Von diesem Panzertyp gibt es im 14. Jhd. eine Vielzahl von Varianten, die sich voneinander von der Grösse und Anordnung der Platten und der Art der Art des Verschlusses unterscheiden. Thordeman unterscheidet nach der Art der Panzerplatten zwischen zwei Grundtypen: denen mit ausschliesslich hochrechteckigen Platten und denen mit sowohl senkrechten als auch waagerechten Platten. Bei den Wisby-Rüstungen sind diejenigen zahlenmässig stärker vertreten, die ausschliesslich mit vertikalen Platten versehen sind. In dieser Gruppe stellen wiederum diejenigen den grössten Anteil, bei denen Bauch und Rücken lediglich durch eine einzige Reihe relativ langer und grosser Platten geschützt werden. Diese Art ist aber sehr altertümlich und war zur Zeit der Schlacht um Wisby 1361 technisch längst überholt und auf dem europäischen Festland nicht mehr anzutreffen. (...) Wegen der waagegerecht angeordneten (Bauch-) Spangen spricht man beim Plattenrock in der einschlägigen Fachliteratur auch vom "Spangenpanzer". (...) Die Zahl der Platten bei den Wisby-Plattenröcken sind sehr unterschiedlich. Zählt man in einem fall lediglich acht grosse Platten mit einer maximalen Grösse von 50x15 cm, so kommt man in einem anderen Fall auf mehr als 200 kleine Platten mit einer maximalen Grösse von 4x10 cm. Ist die Schutzwirkung der eines Spangenpanzers unabhängig der Grösse der einzelnen Platten, so erhöht sich mit der Anzahl der Platten die Beweglichkeit und der Tragekomfort - aber auch der Preis (...)". (Lehnart, 1320-1370, S. 80)

    "Da die Platten in der ersten Hälfte des 14. Jhd. noch relativ gross sind, liegen die Nietreihen ziemlich weit auseinander. Wegen der im Vergleich zu einer Brigantine geringeren Anzahl der Platten und des daraus resultierendes hohes Gewichtes der einzelnen Platte ist die Belastung des Trägermaterials relativ hoch. Anders als bei einer Brigantine des 15. Jhd. (...) ist deshalb bei einem Plattenrock des 14. Jhd. von einem auf der Innenseite mit Leinen verstärkten Lederrock auszugehen. (...) Auffallend ist, dass viele der Panzerfunde (Wisby, Küssnacht, Tannerberg) keine Platten zum Schutz des Schlüsselbeines aufweisen. Vielleicht fürchtete man eine zu starke Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Arme. Manchmal sind schmale Schulterplatten vorhanden, an denen mittels einen primitiven Scharniers ein Schild- oder Lindenblattförmig getriebenes Teil befestigt war, welches den Armansatz schützt. (Lehnart, 1320-1370, S. 82ff)

    "Wie auf zeitgenössischen Darstellungen zu erkennen, waren anscheinend auch im 14. Jahrhundert die meisten der überwurfartigen Plattenröcke mit dem Rückenverschluss versehen (...) Innerhalb dieser Gruppe treffen wir verschiedene Verschlussarten an: Rücken-, Seiten- und Vorderverschluss. (...) All diese Plattenröcke wirken relativ unförmig, da sie nicht tailliert sind und an ihren Trägern wie Tonnen herabhängen. Erst mit der Verwendung kleinere, querrechteckiger Platten wird es möglich, den Plattenrock geschmeidiger und figurbetonter zu machen, womit wir beim sogenannten Lentner/Lendner angelangt wären." (Lehnart, 1320-1370, S. 84)

    In den unten eingefügten Bildern sieht man zwei Realien aus meiner Sammlung zu diesem Thema. Einen Plattenrock (rechts) nach den Vorlagen des hl. Mauritius (um 1240-1270) und von den schlafenden Wächtern im Konstanzer Münster (um 1270-1280). Er ist (so wie oben beschrieben und gezeigt) aufgebaut und wurde zusätzlich mit roter Seide verkleidet. Der Plattenrock/Lendner (links im Bild) wird auf die zweite Hälfte des 14. Jhd. datiert. Er zeigt die späte Form (bzw. eine Übergangsform), die bereits über eine taillierte Form verfügt.

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    (Bildquelle: eigenes Bild)

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    (Bildquelle: eigenes Bild)


    Quellen für diesen Beitrag:

    - Die Skulpturen des 13. Jahrhunderts im Magdeburger Dom, von H. Brandl, Michael Imhof Verlag, 2009, ISBN 978-386568533-9

    - Aufbruch in die Gotik / Der Magdeburger Dom und die Stauferzeit (Band II Katalog), von M. Puhle, Phillip von Zabern Verlag, 2009, ISBN 978-3-8053-4113-4

    - Kleidung & Waffen der Früh- und Hochgotik 1150.1320, von U. Lehnart, Karfunkel Verlag, 2013, ISBN 978-3-935616-54-6

    - Kleidung & Waffen der Spätgotik I 1320-1370, von U. Lehnart, Karfunkel Verlag, 2000, ISBN 3-9805642-8-2

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