Plattenharnisch um 1490 - im Innsbrucker Stil

  • Hier möchte ich euch gerne einen weiteren Harnisch meiner Sammlung vorstellen. Hierbei handelt es sich um einen ganzen Reiterküriss im Innsbrucker Stil, datiert auf um 1490.

    Der Innsbrucker Stil, der um 1490 bereits deutlich unter dem Einfluss der aus Italien nach Norden vordringenden Renaissance steht, unterscheidet sich durch das nahezu völlige Fehlen der Gratbündel und seiner eher runden und glatten Flächen grundlegend vom meist reichverzierten, mit Schiftungen, Kehlungen und Feilarbeiten versehenen Dekor des beispielsweise Augsburger- oder Landshuter Stiles. Dieser Harnischstil verlor also seinen bis dahin -in den 1470ern bis um 1480 herum auf die Spitze getriebenen- reich verzierten Charakter. Durch die nicht mehr vorhandene Akzentuierung der Spitzen und dem Fehlen der Verzierungen wirkt der Innsbrucker Stil im Vergleich deutlich schlichter und leitete den Übergang von der Gotik in eine neue Ära ein.

    Nicht nur stilistisch zeigt diese Rüstung Unterschiede -beispielweise im Vergleich zu meinem 1480er Harnisch im Augsburger Stil- auf. Es sind auch weitere Veränderungen an ihm erkennbar. Auf diese und auf die Vorlagen, an denen sich dieser Harnisch orientiert, möchte ich gerne noch kurz eingehen.

    Der Harnisch ist mit einer Schaller ausgestattet, die über einen geschobenen Nackenschirm und ein ganzes aufschlächtiges Visier verfügt. Genau diese Vorlage ist ursprünglich eigentlich gar nicht «typisch» für den Innsbrucker Stil. Der früheste Beleg für genau solch einen Schallertyp mit geschobenem Nacken ist eine vom Augsburger Lorenz Helmschmid hergestellte Schaller, die sich heute in der Gwynn Collection befindet und auf 1480 datiert wird. Das hier verwendete Exemplar verzichtet allerdings auf die detaillierten Feilarbeiten an den Nackengeschüben und den vergoldeten Buntmetallkappen der Nieten, etc. Diese Schaller ist -dem Stil angepasst- schlichter gestaltet. Ab 1490 sieht man diese Schallervariante mit geschobenem Nacken dann auch häufiger in den Quellen. Auch in der Churburger Rüstkammer, in der die meisten der hier folgend genannten Vorlagen ursprünglich für die Adelsfamilie «von Matsch» gefertigt, untergebracht sind (bzw. waren), findet sich ein solches Exemplar (montiert am CH S31). Diese ist jedoch mit einem halben Visier und einer im Detail etwas anderen Anordnung des Geschübes ausgestattet. Es ist für 2023 geplant, noch einen Nachbau einer klassischen Churburger Schaller im Innsbrucker Stil zu ergänzen. Die Planung läuft bereits.

    Der Bart, dessen Vorlage von Hans Prunner (oder Jörg Wagner?) um 1490 hergestellt wurde und der sich heute am Harnisch CH S31 in der Churburg befindet, wurde nicht mehr auf das Bruststück gebunden, sondern über ein Stecksystem an der Brust befestigt. Diese Steckervariante ist aber auch schon vor 1490 in Gebrauch.

    Die Brust (nach Vorlage CH S31) sowie der Rücken (nach Vorlage MET 29.150.80) wurden beide um 1490 von Hans Prunner in Innsbruck gefertigt. Sie sind je aus einem Stück gearbeitet und besitzen keinerlei Schiftungen mehr. Erwähnenswert ist noch, dass die Brust mit beweglichen Armeinsätzen ausgestattet ist. Dieses Feature hat mein 1480er noch nicht.

    Am Armzeug (nach Vorlage CH S31) sind lange Hentzen (nach Vorlage KHM A9) intergiert, die die Unterarmröhren des Armzeuges überflüssig machen. Die hier verwendeten langen Hentzen unterscheiden sich in kleinen Details von denen des Armzeuges des Harnischs CH S31. Auch die Teile des Armzeuges entstanden im Original um 1490, die langen Hentzen zwei Jahre früher um 1488, ebenfalls durch Hans Prunner in Innsbruck.

    An den Bauchreifen der Harnischbrust sind keine Beintaschen mehr verbaut, da die langen Diechlinge des Beinzeuges (nach Vorlage CH S24) deren Funktion übernahmen. Das Beinzeug ist im Original auf um 1480/90 datiert und wird dem Schmied Adrian Treytz d. Ä. zugeschrieben, der zu dieser Zeit auch in Innsbruck arbeitete.

    Die Panzerschuhe sind an jene des Knabenküriss Philipps d. Schönen (KHM A9) angelehnt. Sie stellen mit ihrer halbrund auslaufenden Schuhspitze eine Zwischenstufe, zwischen der deutlich spitz zulaufenden Form um 1480 und der breiten Kuhmaulform, die dann ab ca. 1505 zu finden ist, dar.

    Der hier vorgestellte Harnisch wurde vom heute 76jährigen Plattner Ewald Tanzer im Jahre 1995 in rund 450 Stunden Arbeit gefertigt. Der Harnisch gehörte Ewald selbst und er trug diesen Küriss im Laufe der Jahrzehnte zu etlichen Veranstaltungen. Vor einiger Zeit übernahm ich die Rüstung aus seinem Besitz. Ewald, der in Niederösterreich beheimatet ist und bereits im 14. Lebensjahr mit dem Schmieden begann, plattnerte nach eigener Aussage mit 17 Jahren den ersten Harnisch und fertigte bis heute insgesamt 55 komplette Harnische, sowie zahllose Harnischteile an. Er war während seines Berufslebens auch als Restaurator für zahlreiche Museen, unter anderem auch für das Grazer Zeughaus, tätig. Ewald zählt für mich zu einem der erfahrensten und besten Plattner unserer Zeit und ich bin sehr stolz darauf, ein so fein gearbeitetes und gutsitzendes Stück «Harnischgeschichte» mit dieser Historie besitzen zu dürfen.

    Jeder Harnisch meiner Sammlung erhält ein eigenes Waffensetup. Eine passende Schwert-Scheidenkombination fehlte mir für diese Rüstung bei den Aufnahmen noch. Das hier gezeigte Schwert gehört eigentlich zu einem anderen Harnisch, passt aber auch hier gut dazu. Der auf dem Bild zusehende Dolch, sowie der Reiterhammer sind bereits Bestandteile für diesen Harnisch.


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    (Bildquelle: ich)

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