Spielstein (?) nach Fund aus Baldursheimur / Island
Größe: ca. 3.9 x 2 x 2 cm
Material: Elfenbein (künstlich)
Zeit: 10. Jahrhundert
Anspruch: fundnah / belegorientiert
Compress_20230115_144017_7416.jpgCompress_20230115_144018_8340.jpgCompress_20230115_144016_6577.jpg
Baldursheimur. Eine kleine Farm an der rauen Nordküste Islands. Gelegen am klaren Wasser des Eyjafjörður, dem größten Fjord der Insel.
Die Spuren der Besiedlung dort reichen über tausend Jahre weit zurück. So wurde an dieser Stelle im Jahr 1860 ein Grabhügel untersucht, der auf das 10. Jahrhundert datiert wird.
Das Grab scheint einem wohlhabenden Mann gehört zu haben, denn er wurde zusammen mit seinem Pferd und zahlreichen Waffen bestattet.
Unter den weiteren Funden befand sich auch ein Spielbrett mitsamt 24 Spielsteinen, sowie eine kleine Figur.
Steine und Figur sind aus Walknochen gefertigt, und im ersten Moment mag man diesen Fund als klassisches Hnefatafl-Brett samt Steinen und König interpretieren.
Interessanterweise finden sich aber an genau der Hälfte der Figuren Reste von roter Farbe.
Das ausgeglichene Verhältnis der Figuren spricht absolut gegen Hnefatafl und deutlich für ein völlig anderes Spiel, aber dazu mehr in einem zukünftigen Beitrag.
Die kleine Figur ist 3,9 cm hoch, antropomorph, und stellt einen sitzenden Mann dar, der seinen langen Bart in den Händen hält. Möglicherweise soll sie den Gott Odin darstellen, aber das lässt sich nicht eindeutig belegen.
Compress_20230115_144014_4354.jpgCompress_20230115_144015_5011.jpgCompress_20230115_144015_5809.jpg
In anderen, ähnlichen Fundkontexten wurden solche Figuren gerne als Königsspielstein für Hnefatafl gedeutet. Da ich einen solchen noch brauchen konnte, habe ich mich an eine Rekonstruktion gewagt.
Die Walknochen des Originals sind heutzutage - glücklicherweise - nur noch schwer zu bekommen. Also musste ein anderes authentisches Material her.
Relativ häufig finden sich unter den wikingerzeitlichen Funden auch Spielsteine aus Elfenbein. Hiermit ist allerdings nicht der Stoßzahn der Elefanten gemeint, sondern die Zähne vom Walross. Damals im großen Stil aus Grönland exportiert, heutzutage selbstverständlich geschützt.
Nun, für Elfenbein gibt es mittlerweile sehr gute künstliche Alternativen. Für meine Figur habe ich Elforyn verwendet. Im Aussehen nahezu identisch mit dem Naturmaterial, und selbst die Schregerschen Linien wurden überzeugend nachgebildet. Die Verarbeitung mit Schnitzmesser und Feilen gestaltete sich sehr angenehm und leicht. Deutlich einfacher als beispielsweise bei Geweih.
Mit diesem Material habe ich das erste Mal gearbeitet. Es hat mich voll und ganz überzeugt. Eine tolle Sache, wenn ich demnächst weitere Gegenstände rekonstruieren möchte, die im Original aus Bein bestehen.
Compress_20230115_144013_3957.jpg
Dennoch war das Ganze eine recht fummelige Angelegenheit, gerade wegen der Stellen zwischen Armen, Bart und Körper. Da kommt man auch mit einem spitzen Messer nur ganz bescheiden dran. Hat drei Abende gedauert, aber dann war der 'König' fertig. Jetzt fehlen nur noch die restlichen Spielsteine für mein Hnefatafl