• Ich präsentiere hier einen einschneidigen scharfen Nierendoch mit einem Griff aus Walnussholz, kleinem Parier und einer wunderschönen Platte aus Altsilber am Ende des Griffes. Das ganze in einer Scheide mit Holzkern, bezogen mit vegitabil gegerbtem Ziegenleder.

    Dieses Stück basiert auf diversen Vorlagen, zum Beispiel aus dem Ruhr Museum auf Zeche Zollverein in Essen.

    Hergestellt wurde dieses wunderschöne Stück von 'Hendrick1975', welcher es mir ihm Rahmen des traditionellen Weihnachtswichtelns 2021 schenkte.

    Hinsichtlich der Details lasse ich den Künstler dieses Werkes hier selbst zu Wort kommen:

    Nierendolch / Hodendolch

    Ort und Zeit: Deutschland, Ende 14. - Anfang 15. Jahrhundert

    Länge: 41 cm

    Klinge: 27 x 2,5 x 0,4 cm

    Griff: 14 cm

    Anspruch: fundnah / belegorientiert

    Ich finde es immer wieder unglaublich spannend, Themen weit ab der üblichen vertrauten Pfade anzugehen. Die Recherche für vollkommen Neues ist jedes Mal sehr faszinierend - wenngleich auch überaus zeitintensiv.

    Allerdings habe ich es jedesmal als Erweiterung des eigenen Horizonts und somit als persönlichen Gewinn empfunden.

    So auch hier - Deutscher Nierendolch 14./15. Jahrhundert. Vorher noch nie gesehen, noch nie gehört, null Plan von irgendwelchen Besonderheiten oder Details.

    Aber irre spannend.

    Das 14. und 15. Jahrhundert ist eine Blütezeit der sogenannten Nieren- bzw. Hodendolche.

    Ihren Namen haben sie von den beiden markanten Verdickungen am Griff, die je nach Region sehr dezent mit 'Herzförmig', höflich als 'Nierenförmig', oder deftig und direkt als 'Hoden', 'Klöten', bzw. 'bollocks' bezeichnet werden.

    Den (definitiv so gewollten) phallischen Charakter dieser Dolche sieht man auch an der zeitweiligen Tragweise - senkrecht und mittig vorne vor der Hose getragen.

    Mehr Phallussymbol geht eigentlich nicht.

    Bei den Klingen findet man in dieser Zeit noch eine große Anzahl an recht einfachen, einschneidigen Ausführungen mit dreieckigem Querschnitt. Diese Form macht einschneidige Dolche - anders als ihre zweischneidigen Pendants - auch zu praktischen Alltagswerkzeugen, da man hier beim Schneiden zur Verstärkung auf den Rücken der Klinge drücken kann. Bei zweischneidigen Dolchen wäre dies nicht möglich.

    Hier finden wir ein Unterscheidungsmerkmal zu den zweischneidigen Klingen, die eher zu kämpferischen Zwecken oder als Prestigeobjekt gedient haben dürften .

    Als Vorlage für meinen Dolch diente ein ähnliches Exemplar, welches im Ruhrlandmuseum in Essen zu finden ist und auf das 15. Jahrhundert datiert wird. Also quasi direkt bei mir vor der Haustür.

    Weitere vergleichbare Funde gibt es für das komplette 14. und 15. Jahrhundert über ganz Deutschland und Europa verteilt, ebenso zahlreiche ikonographische Darstellungen in Manuskripten, Bildern, Statuen, etc.

    Kurzum - die Quellenlage ist gar nicht mal so schlecht.

    Die Klinge ist aus 1.2067er Stahl geschmiedet, in Öl gehärtet, hat eine Dicke von knapp 4 mm, und ist mit 27 cm Länge genau im üblichen Bereich für solche Dolche.

    Die Klinge hat beim Härten dummerweise ein sehr unschönes Verhalten an den Tag gelegt. Sehr lang, sehr dünn, und sehr spitz hat sie sich beim Härten extrem verzogen. Sie ähnelte mehr einer Banane oder einem Säbel, statt einer schönen geraden Linie. Nun, insgesamt habe ich die Klinge viermal nachgeschmiedet und immer wieder neu gehärtet, bevor sie endlich ihre finale Form gefunden hat. Hierbei sind noch ein paar Schmiedespuren zurück geblieben, bei denen ich einfach keine Lust mehr hatte, sie komplett raus zu schleifen.

    Zwischen Klinge und Griff habe ich einen kleinen, leicht U-förmig gebogenen Parier gesetzt, und mit zwei handgeschmiedeten Nägeln fixiert. Diese Pariere sind recht häufig anzutreffen, und sollen die Hand des Trägers bei Auseinandersetzungen vor fremden Klingen schützen. Sie sind deutliches Zeichen für die zusätzliche Verwendung solcher Dolche in Zweikämpfen.

    Den Griff habe ich aus Walnussholz geschnitzt. Das schaut nach dem Ölen schön dunkel und edel aus, kontrastiert hervorragend mit dem glänzenden Stahl und Neusilber, und lässt sich für die Zeit und Region belegen.

    Im Original waren die Griffe im oberen Bereich vermutlich gedrechselt.

    Würde ein Profi heute wohl auch so machen, oder wenigstens die grobe Form mit der Bandsäge ausschneiden.

    Nun ja, ich hab weder eine Drehbank noch eine Bandsäge. Dafür Schnitzmesser, Stechbeitel, und Schmirgelpapier. Und ziemlich hartes Walnussholz. Wo echt viel Material runter musste.

    Machen wir es kurz: der Spaßfaktor hielt sich in sehr engen Grenzen ;)

    Am Schluss habe ich den Griff der Länge nach vorgebohrt, die Angel der Klinge bis kurz vor dem Glühen erhitzt, und dann den Griff aufgeschlagen.

    Um den Dolch optisch zusätzlich etwas aufzuwerten, habe ich am Ende des Griffs noch eine Platte aus Neusilber aufgesetzt, mit vier Bronzenägeln (als farblichen Kontrast) gesichert, und darüber ganz am Schluss die Angel vernietet.

    Verzierungen dieser Art aus Eisen, Bronze, Messing oder Silber sind recht typisch. Bei den Punzierungen habe ich mich für schlichte und klassische Dreiecks- und Kreisaugen-Formen entschieden.

    Bei der Scheide habe ich mich für ein Modell mit Holzkern zum Schutz der Klinge entschieden. Dabei bin ich den einfachen Weg gegangen, und habe die Scheide aus Kiefernleisten zusammengesetzt, verleimt, und im Anschluss in Form geschnitzt und geschliffen.

    Den Holzkern habe ich mit vegetabil gegerbtem Ziegenleder bezogen.

    Dieses habe ich um den Kern herum geschlagen, beide Lagen Leder entlang der Seite der Scheide fixiert, und mit der Ahle die Nahtlöcher vorgestochen.

    Danach die Scheide dann ohne den Holzkern per doppeltem Überwendlichstich (hin und versetzt zurück, so dass sich eine dekorative Kreuznaht ergibt) mit gewachstem Leinengarn vernäht.

    Diese Hülle habe ich dann leicht feucht stramm über den Holzkern gezogen, so dass die Naht nun mittig auf der Rückseite liegt.

    Nach dem Trocknen ist das Leder noch ein wenig geschrumpft, und hält nun auch ohne Verkleben bombenfest.

    Eine Metallspitze an der Scheide findet man bei den historischen Exemplaren auch immer wieder.

    Meine habe ich wieder aus Neusilber gefertigt.

    Dazu habe ich ein Blech um die Spitze des Holzkerns gebogen und getrieben, und rückseitig überlappend verbunden.

    Wie bei dem Abschlussblech am Griff habe ich als zusätzliche Verzierung relativ neutrale Elemente gewählt, die sich für diese Zeit gut belegen lassen. Mittig einen Doppelring aus Draht, und an der Öffnung ein Element aus einem verzwirnten Neusilber- und Bronzedraht (für dieses Detail habe ich keinen konkreten Beleg).

    Alles jeweils mit Silberlot hart verlötet.

    Die Spitze habe ich auf der Scheide aufgesetzt, durch Spitze und Holzkern ein Loch gebohrt, und beides mit einer Niete miteinander verbunden.

    Zeitaufwand: gut 60 Stunden

    (Liegt hauptsächlich daran, dass ich fast komplett ohne Maschinen arbeite - nur Bohrmaschine für Löcher, und Dremel mit Trennscheibe für die ein oder andere Metallbearbeitung).”

    Hendrick1975 im Dezember 2021


    Die beigefügten Bilder stammen auch von Hendick,

    1673640615228.jpg           1673640615343.jpg             1673640615399.jpg         

    IMG-20211225-WA0019.jpgLediglich dieses Foto habe ich selbst aufgenommen.

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