Beiträge von Thomas W.

    Warum nicht mal (wieder) auf Burg Mylau /Vorgtland... ziemlich mittig = alle leiden gleich ^^

    So wie ich es mitbekam, wollte Sina in diesem Jahr mal aussetzen. Schade, aber ich kann es auch verstehen. Wenn es stattgefunden hätte, wäre es vermutlich auch letztes oder nächstes WE gewesen. Man kann nur hoffen, dass es im kommenden Jahr wieder eines geben wird.

    Und ich hoffe darauf, dass Gerd das "Ursprungstreffen" im schönen Frankenwald irgendwann wieder reaktiviert. Darauf hätte ich auch mal wieder richtig Lust.

    Ich finde es grossartig, dass es wieder ein Forentreffen gibt! Ihr wisst gar nicht, wie ich das vermisse… :love:

    Nienover ist von „Norditalien“ aus halt einfach eine halbe Weltreise… Ich bin ansich nicht zimperlich, wenn es um solche Ausflüge geht, merke aber das mein Bauchgefühl mir da nicht einfach so ein „Go“ signalisiert. Ich will nicht sagen, dass Nienover für mich aufgrund der Entfernung direkt ein „Gameover“ darstellt, aber es ist eben nicht einfach mal schnell mit Ja zu beantworten… <3

    Im Bereich der Helmsammlung gab es in den letzten Monaten einige wunderbare Neuigkeiten. Davon hab ich bisher allerdings noch fast nichts gezeigt. Es fehlt mir einfach momentan schlichtweg die Zeit dafür...


    Einen Neuzugang möchte euch heute dennoch kurz vorstellen. Nämlich eine Interpretation eines Topfhelmes aus der in den 40er Jahren des 13. Jhd. entstandenen Maciejowski-Bibel.
    An diesem Stück waren verschiedene talentierte Handwerker beteiligt. Der Helm selbst wurde in Frühjahr 2021 vom talentierten Schmied Georges Jolliot hergestellt. Yves Schmid von Une Forge en Mitgard fertigte dazu im Nachgang noch eine Interpretation eines Zimirhalters für dieses Stück an. Die vergoldete Schnalle am Riemen steuerte zudem noch Dominique Humbert bei.


    Alles in allem ist dadurch ein wunderschöner Helm entstanden, den ich kürzlich von einem geschätzten Hobbybekannten für meine Sammlung übernehmen durfte. Er wurde so gefertigt, dass man - falls gewünscht - unter der Ringpanzerhaube noch eine Hirnhaube tragen könnte. Ein spannender Punkt, denn diese Trageweise ist in der Kreuzfahrerbibel auch bildlich dargestellt.

    Ob ich diesem Helm noch eine Vergoldung oder Bemalung zu Teil werden lasse, habe ich noch nicht abschliessend entschieden. Vielleicht bleibt er auch so und wird einfach nur noch einmal aufpoliert.

    Was meint ihr? So lassen, oder weiter veredeln?  :/

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    (Bildquellen: pinterest & eigene Fotos)

    Bild oben: Diese schon fast ikonische Helmform stellt für viele Leute "den klassischen Topfhelm" des Mittelalters dar. Georges Jolliot hat mit dieser Interpretation ein - wie ich finde - sehr ansehnliches Exemplar erschaffen. Das schienen bisher auch andere so wahrgenommen zu haben. So fand dieser Helm bereits schon den Weg in ein kürzlich erschienenes Buch und diente (zumindest meine ich das so zu erkennen) mindestens einem weiteren Schmied/Hersteller als konkrete Vorlage für eine eigene Interpretation. 

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    (Bildquelle: Raino Sommer)

    Bild oben: In der Kreuzfahrbibel finden sich weit über 100 Abbildungen dieses Topfhelm-Typs. Der von mir sehr geschätzte Raino Sommer hat sich vor einiger Zeit mal die Arbeit gemacht und so gut wie alle Illustrationen aus der Mac-Bibel zusammengetragen. Man erkennt gut die Unterschiede in den Details. Einige haben mehr Öffnungen in den Wangen- und Nackenplatten, einige scheinen bemalt, andere (teil)vergoldet zu sein. Gelegentlich sind auf der Scheitelplatte Aufnahmen für ein Zimier/eine Wappenscheibe zu erkennen, etc. 

    Ich danke euch herzlich für die Glückwünsche! Sie haben mich sehr gefreut! <3

    Ja, es ist gut möglich, dass ich euch hier auch in meinem nächsten Lebensjahr gelegentlich mit Dingen auch Stahl oder Holz behellige. 😄 Es befindet sich bereits etliches in der Pipeline und die Projektplanung für die nächsten Monate ist grösstenteils ebenfalls schon abgeschlossen. Geplant sind für die nächste Zeit:

    - diverse Schlag/Stangenwaffen

    - unterschiedliche Helmprojekte (hier möchte ich im Bereich der Topf- bzw. Kübelhelme auch nochmal das Thema der "Helmzier" aufgreifen)

    - Schilde für den Zeitraum des Hoch- und Spätmittelalters

    - allgemein Blankwaffen


    Nur Zeit zum Vorstellen dieser Dinge muss ich dann noch finden... werde es hier wohl auf die Highlights der Highlights reduzieren. 8o

    Ist dir Zufällig bekannt, wie die Klingendickenverjüngung bei Originalen aussieht, bzw wie dünn Katzbalger nahe des Ortes waren? Die, welche ich in Museumsvitrinen betrachtete (Deutsches Klingenmuseum & GNM), schienen mir nahe des Ortes ziemlich dünn (meiner Erinnerung nach vllt 2-2,5mm?) zu sein. Kannst Du, oder sonst wer hier, das bestätigen / dementieren?

    Katzbalgerklingen zählen zu den vielfältigsten Klingen die ich kenne. Die kann man nur schwer "katalogisieren". Die Klingen, die ich mir aus der Nähe anschauen durfte, sind zum Ort hin alle dünner ausgeführt gewesen. :thumbup:

    Einige Leute sind immer noch am Spekulieren, was es mit dieser seltsamen Waffe auf sich hat.

    Fest steht, dass es sich um eine Art Dolch oder Stichwaffe handelt, die man zerlegen und zu einem Bogen zusammenbauen kann.

    Absolut spannende Sache! :) Die Blankwaffen-Optik gleicht der eines sogenannten "Proto-Katzbalgers" um 1500 (der zweite von unten auf dem Foto)!


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    (Bildquelle: ich)

    Wenn das Angebot passend ist und es mir als Gast/Interessent einen Mehrwert bietet, bin ich gerne bereit für einen Markt/eine VA einige Mühen (weite Anfahrtswege, Spritkosten, etc.) und auch höhere Eintrittspreise auf mich zu nehmen.

    Diesen Aufwand zu betreiben und im Schnitt um die 10,- pro Person Eintritt dafür zu zahlen, dass ich dann auf dem Areal "pseudo-mittelalterlichen Krempel" kaufen kann, an der Schenke lieblos zusammengerührte "Räuberpfanne" und Troll-Met" aus dem PET-Kanister zu (in meinen Augen) häufig überzogenen Preisen verzehren soll und mein Junior bei einem in Lumpen und Jutesäcken verkleideten Typen für 5,- Euro fünf Carbonpfeile auf dem Sportbogen verschiessen darf.... Nö... diese Zeiten sind eigentlich vorbei. ^^

    Klar, da hängen oft Händler und Betriebe dran, die alle ein Einkommen generieren müssen um ihre Familien zu ernähren. In diesen Fällen bin ich jedoch leider nicht gewillt, dass noch gross zu unterstützen. :/

    Dieser reißerische Titel könnte so in der Art auch aus der "Blödzeitung" stammen... das gebe ich zu. 8o Es ist aber tatsächlich ein Punkt, auf den ich schon etliche Jahre hinweise und den ich damals - wie auch heute noch - in der darstellenden "Hochmittelalter-Szene" kaum berücksichtigt finde. Schwerter tragen/verwenden doch etliche Leute in ihren Darstellungen, aber... diese sind mit Gesamtlängen im +- 90cm-Bereich oft viel zu kurz umgesetzt!

    Sicher, im 13. Jhd. waren die "grossen einhändigen" Typen, wie die oben genannten Klingen des Types Xa und XI bereits wieder aus der Mode und es entwickelten sich in der 2. Hälfte des 13. Jhd. dann schon die frühen langen Schwerter des Types XIIa & XIIIa heraus, die bereits zweihändig geführt werden konnten. Aber ab dem späten 11. Jhd. & vor allem im 12. Jhd. - und das 12. Jhd. ist meine Darstellungszeit - sind doch etliche einhändig geführte Stücke erhalten, die den "einen Meter" Gesamtlänge teils deutlich überschritten (im 13. Jhd. gibt es dafür auch noch einzelne erhaltene Beispiele).

    Der Klingentyp Xa & vor allem der XI (beide Typen lassen sich teils nur schwer unterscheiden) nach Oakeshott fiel häufiger auch länger aus. Die Klingen, die sich bis zur Spitze (die man "Ort" nennt) meist nicht gross verjüngten und häufig eher fast parallel gestaltet waren, sind gerne bereits alleine schon um die 90cm lang (oft auch länger). Die Orte waren häufig auch nicht spitz, sondern eher ründlich (spatelförmig) ausgeführt. Das die Orte durch Korrosion beschädigt und deshalb eher rund ausfielen, wäre eine mögliche Erklärung dafür. Es gibt allerdings etliche gut erhaltene und vernünftig konservierte Stücke diesen Typs, die ebenfalls eher runde Orte zeigen (die trotzdem geschärft waren). Der Stich war zu dieser Zeit nicht der primäre Einsatzzweck dieser Waffen (obwohl man mit ihnen natürlich auch stechen konnte und dies sicherlich auch tat). Steifere Klingen, die über einen Mittelgrat verfügten - und somit deutlich besser zum stechen geeignet waren - wurden zu dieser Zeit noch nicht verwendet, sie sind dann im Spätmittelalter ein grosses Thema. Man kämpfte im Hochmittelalter eher mit Häuen und Schnitten, da war ein spitzer Ort eher zweitrangig. Gerade vom Pferderücken aus verwendet, gaben die langen Klingen ein Extra an Reichweite. In Ausnahmefällen erreichten Schwerter (mit Einhandgriff!) auch Gesamtlängen um die 120cm. Längen um die 110cm waren keine Seltenheit. Der von mir sehr geschätzte Maciej Kopuich (auch bekannt als "Swordmaker") hat im März diesen Jahres erst wieder einige Daten von Originalen zu diesem Thema publiziert.

    Die ersten zwei dieser eher gross ausfallenden Schwerter aus meinem Bestand möchte ich euch heute gerne einmal vorstellen. <3

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    (Bildquelle: myarmoury.com & ich)

    Bild oben: Diese grosse Klinge eines Oakeshott Xa ist an der Basis 5,5cm breit und etwas über 91cm lang. Das Schwert hat eine Gesamtlänge 106cm und wiegt 1331g. Die Klinge stammt ursprünglich von Hanwei und wurde von Alojz Krišto aus Kroatien noch einmal nachbearbeitet, vernünftig geschliffen und ordentlich geschärft. Die zeitgenössisch passende Parierstange im Stil 1 nach Oakeshott, sowie den Knauf im Typ B hat er ebenfalls für dieses Schwert geschmiedet und letztendlich alles montiert und vernietet. Seit 2018 befindet sich dieses Stück in meiner Sammlung. Unten in der Collage sind für euch noch ein paar ähnlich grosse erhaltene Schwerter (ebenfalls mit ähnlichen Paranussknäufen und Parierstangen) um 1200 angeführt, an denen sich diese Interpretation anlehnt.


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    (Bildquelle: ich)

    Bild oben: Bei diesem Schwert, dass sich stark an den Typ Xa.10 aus E. Oakeshott's Buch "Records of the Medieval Sword" anlehnt, handelt es sich ebenfalls um einen der eher "grossen Brocken".

    Das Schwert ist mit einer 94cm langen Klinge, ebenfalls des Typs Xa, ausgestattet. Die sehr schlanke Hohlkehle verläuft ca. über 3/4 der Klinge, die an der Basis über 5cm breit ist und am Ort eher auch rund/spatenförmig ausläuft. Die ausladende Parierstange, wie man sie in dieser Art im 11. und 12. Jhd. ebenfalls immer wieder findet, ist im Stil 1 gehalten und überschreitet eine Länge von 27cm.

    Auch der Griff fällt bei diesem Stück etwas länger als üblich aus und misst hier stattliche 13,5cm. Die Griffe sind normalerweise bei hochmittelalterlichen Schwertern sonst eher kurz gehalten und überschreiten die 10cm-Marke nur selten.

    Der Knauf schiesst nach meinem Empfinden hier den Vogel völlig ab! :love: Es handelt sich dabei um einen Typ N nach Oakeshott, in einer wirklich speziellen Form. Diese Variante fehlte mir noch als einer der letzten für den Bereich der "paranussknaufartigen Knäufe". Die Proportionen passen im direkten Vergleich mit der Vorlage soweit ganz gut und so wundert es nicht, dass die Gesamtlänge mit 111,5 cm nur ganz knapp über der des Originales liegt. Das Schwert, dass vor einigen Jahren in Polen von "Errementaris" (findet man unter dem Namen bei Facebook) gefertigt wurde, ist wunderbar "organisch" umgesetzt und glänzt mit zahlreichen Asymmetrien. So mag ich es! Ob er aktuell noch Stücke fertigt, kann ich nicht sagen. Es ist ziemlich ruhig auf den Seite. Eine recht vernünftige Scheide, die von einem anderen Handwerker stammt, ist für dieses Stück ebenfalls vorhanden.

    Das wären mal meine beiden Xa zu diesem Thema. Von den Schwertern mit Typ XI-Klingen muss ich erst noch vernünftige Fotos machen. Die zeige ich euch gerne ein anderes mal. :)

    Klasse würde ich es jedenfalls finden, wenn es mehr Darsteller, nicht nur - aber auch - für den Zeitraum des 12. Jhd. gäbe, die sich für ihre militärische Darstellung, oder auch für representative Zwecke in ihrer Darstellung, mehr an den Abmessungen der im Original erhalten Schwerter orientieren würden. Sicher, nicht alle Schwerter aus dieser Zeit waren so lange Brecher, aber die allermeisten Stücke waren länger als die Nachbildungen, die man in der "Mittelalterszene" (inkl. Living History) so vorfindet. :*:thumbup:

    So neu und sauber sieht das sehr sehr edel aus. Tolles Stück !

    Das rostet vermutlich und waschen kann man es auch nicht, also würde es bei gebrauch vermutlich schnell anders aussehen. Aber es soll ja praktisch sein und kein optisches Prunkstück.

    Ja, dass ist ein Punkt. Ich könnte mir in diesem Fall vorstellen, dass es als eine Art "Unterrüstung" verwendet wurde. Obwohl es auch da nass werden würde (entweder vom Schweiss des Trägers, oder auch durch beispielsweise Regen). Das oben gezeigte Stück aus Würzburg ist - nach meinem bisherigen Kenntnisstand - das einzige erhaltene Exemplar, bei dem Kettenringe verarbeitet sind. Bei den wenigen anderen Stücken ist das nicht der Fall. Man hat auch damals gewisse Dinge ausprobiert und getestet. Vielleicht hat sich die Variante mit den Kettenringen auch einfach nicht durchgesetzt (?). Es ist halt - wie das Stück selbst - alles hypothetisch zu betrachten.

    Es ist ne Riesenfleißarbeit, aber vom Materialwert deutlich unter einem Kettenhemd. Damit denke ich hat es Jemanden gehört der nicht ganz so zahlungskräftig war ? Gemessen am Kettenhemd.

    Ja, vom Materialwert liegt es sicher unter dem dem eines Ringpanzers. Da bin ich bei dir.

    Thomas schrieb oben etwas vom Schutz gegen Wildtiere - ein Jäger ? Vor Biss- und Krallen-Attacken kann ich mir das gut vorstellen.

    Absolut. In der Collage, auf dem die erhaltenen Originale zusehen sind, ist das unten rechts gezeigte Stück (das aus der Veste Coburg) einem jagdeichen Kontext zugeordnet. Da sind mehrere Lagen Leinen (ich glaube wie bei dem Stück aus Bern auch 4 Lagen) etliche Tausend mal miteinander vernäht. Wenn dies bereits ausreicht, um beispielsweise die Hauer eines gestellten und evtl. bereits verletzten - auf Leben und Tod kämpfenden - Keilers abzuhalten/abzumildern... dann sollte eine Schutzwirkung gegen diverse andere Waffeneinwirkungen auch "nicht null" gewesen sein.

    Stimmt, als Schutz vor Klauen und Zähnen kann ich mir das gut vorstellen - evtl. auch eine entsprechende "Rüstung" für Jagdhunde...?

    Ja, in der Veste Coburg sind zwei Hunderüstungen aus Leinen - im gleichen Stil verarbeitet - erhalten und ausgestellt. Die hab ich mir schon persönlich anschauen dürfen.

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    (Bildquelle: Neue Presse Coburg)

    Jetzt wird er zum GroMi? Das ist doch «Fantasy»! Geht es dem noch gut?!? Was läuft hier eigentlich genau? 😱

    Wenn der Herr Weinhold Zeug aus seiner Sammlung zeigt, sind die Stücke doch in den aller meisten Fällen dicht an historische Vorlagen angelehnt, oder haben in der Regel ein konkretes Original zum Vorbild. Stimmt. Aber ab und zu kommen gelegentlich – beispielsweise zum Thema Blankwaffen oder auch bei Helmen ist es schon vorgekommen – auch mal Exoten oder ganz selten sogar reine Interpretationen zum Vorschein, die keine konkrete Vorlage haben.

    So auch bei dieser hier gezeigten Variante eines Harnischs, einem - ich nenne ihn - «Panzerkoller» um ca. 1600. Hier handelt es sich um ein Stück, für das es so konkret umgesetzt kein historisches Vorbild gibt und es dennoch als Hypothese so spannend für mich war, dass es einen Platz in meiner Sammlung fand und ich es euch nun heute einmal vorstellen möchte.

    Ein Panzerkoller? 🧐 Wie kommt der da drauf? 🤔 Hier beginnt – neben dem Stück selbst, auf das ich gleich noch tiefer eingehe – der faszinierende Teil für mich, in den ich euch gerne ein Stück mitnehmen möchte. Wie bereits schon angesprochen, hat explizit dieses hier gezeigte Stück keine historische Vorlage. Ich spreche es also als hypothetisch mögliche Variante an und bezeichne es hier als «Panzerkoller».

    Schutzausrüstung im historischen Kontext gesehen, ist eine sehr spannend Sache. Die Entwicklung des Harnischs über die Jahrhunderte zeigt etliche Varianten – wie z.B. den allseits bekannten Ringpanzer oder später den Plattenharnisch - auf, die viele Interessierte kennen. Es wurde permanent neues entwickelt und teilweise tauchten «alte Bekannte» auch Jahrhunderte – teils in geänderter Form und für andere Einsatzzwecke gedacht - später immer mal wieder mal auf. Das über die Zeit aber auch immer wieder Dinge ausprobiert und damit experimentiert wurde, zeigen uns – mit etwas Glück – erhaltene Realien oder auch Bildquellen. Auch wenn es in diesem Fall hier nur sehr wenige sind…

    Kleidungsstücke nachträglich zu bearbeiten oder sie von Beginn an so herzustellen, dass sie wie eine Art Rüstung gegnerische Einflüsse – wie Hiebe & Stiche, etc. - abdämpfen, um den darin steckenden Träger zu schützen, sind uns im Laufe der Geschichte einige bekannt. So gab es in der Antike beispielsweise schon Varianten wie den Leinenpanzer (Linothorax) oder – um ganz einfach und grob im Mittelalter zu bleiben – über lange Zeit Textilrüstungen, die einzeln oder als Unterrüstung getragen wurden. Aber bleiben wir bei dem speziellen Stück, um das es hier gerade geht.
    Im historischen Museum in Bern ist eine Weste – datiert auf das späte 15. Jhd., bzw. um 1500 - ausgestellt, die optisch nahe an die oben gezeigte Variante herankommt (Beispielbild unten links in der Collage). Nur ist bei dem Stück aus Bern kein Kettengeflecht eingenäht – obwohl es den Anschein erweckt -, sondern es wurden ausschliesslich vier Lagen Leinen aufwendig miteinander vernäht, um tausende kleine Verdickungen zu erzielen, die den Träger schützen sollen. Bei einem weiteren erhaltenen Stück, dass in Würzburg aufbewahrt wird und das meines Wissens ins 16. Jhd. zu datieren ist, sehen wir – wie bei der Hypothese hier – zahlreich eingenähtes Kettengeflecht (Beispielbilder oben in der Collage). Und zwar Ring für Ring einzeln verarbeitet und eingenäht. Dieses Exemplar fällt deutlich länger aus als die Weste aus Bern und scheint eine Art Wams oder Koller darzustellen. Weiterhin sind für das 16./17. Jhd. Stücke erhalten, bei denen kleine Metallplättchen eingenäht wurden. Auch von Stücken, die durch aufgenähtes Leder verstärkt wurden, las ich.


    Den Rüstungsinteressierten unter euch wird aufgefallen sein, dass Kombinationen aus Leder, teils Leinen und Metallplättchen bereits im ausgehenden 13. Jhd. ein Thema war und daraus die frühen Plattenröcke, später dann die Brigantinen des 14. Jhd. entstanden. Diese wurden zum besseren Schutz über z.B. einem Ringpanzer getragen. Bei der hier gerade besprochenen Weste, dem Wams oder auch Koller, handelte es sich meiner Meinung nach um eine Art von Unterrüstung. Aber auch als eine Variante einer Einzelrüstung wären sie denkbar. Nicht bekannt ist mir, ob es sich dabei um Kriegsausrüstung, oder beispielsweise «nur» um eine Art Schutzausrüstung, beispielsweise zum Fechten gehandelt haben könnte. Über diesen Punkt – sowie über das ganze Thema hier – können wir gerne gemeinsam in den Kommentaren in den Austausch gehen.


    Bevor der Beitrag von der länger her völlig eskaliert, komme ich nun noch zu dem hier gezeigten Stück, dass evtl. einigen von euch während seiner langen Fertigungsdauer in den letzten Jahren schon einmal hier und da über den Bildschirm flimmerte. Im Frühsommer 2019 startete der von mir als Handwerker und Mensch sehr geschätzte Tomasz Tomecki, vielen hier auch durch seine Firma «AD1410» bekannt, dieses Projekt. Ziel war es, eine Weste aus vier Lagen Leinen zu bauen, die mit vielen einzeln aufgenähten Kettenringen (in diesem Fall mit 12mm Aussendurchmesser) verstärkt wurde. Selbstverständlich alles in Handarbeit… Im September 2020 war die Weste fertig, die optisch dem Stück aus Bern sehr nahe kam. An ihr wurden 2401 Kettenringe verarbeitet. Von einer ordentlichen Portion Motivation – vielleicht auch Wahnsinn? – befallen, entschied sich Tomasz direkt noch im September 2020 aus der Weste ein Koller oder auch Wams zu bauen, dass optisch in eine Zeit «um 1600» passen sollte. Weitere Monate harter Arbeit vergingen und so war im April 2022 - nach rund 3 Jahren Bauzeit - das Projekt abgeschlossen. Ganze 6563 Kettenringe wurden in dieser Zeit von ihm aufgenäht… mir fehlen bis heute die Worte. Das Gesamtgewicht (inkl. der aus Seide hergestellten Ärmel) beläuft sich auf rund 4,7 kg.

    Als dieses Meisterwerk – auch wenn es nur eine Hyptothese ist – zum Verkauf stand, überlegte ich lange. Obwohl es mir zu passen schien, entschied ich mich dagegen, da es keine konkrete Vorlage hatte. Ich ging einige Zeit lang in mich, las mich in das Thema ein und sah das Stück etwas später als eine mögliche Hypothese (wie oben beschrieben) in diesem Kontext nicht mehr als völlig unmöglich an. Die selbstgestellte Frage an mich, ob meine Sammlung solch eine Hypothese vertragen könnte, beantwortete ich mir nun mit ja. Wo könnte so ein Stück denn besser hinpassen als in eine so umfassende Sammlung wie meine? Richtig, eigentlich nirgends. ^^ Und so entschied ich mich vor einiger Zeit doch dafür und bin nun sehr froh über diesen Entscheid. In einem Beitrag wie diesem aufbereitet und mit zeitgenössisch passenden Accessoires, wie dem wunderschönen Birnenhelm, einer schicken Blankwaffe, etc. (tolle Stücke, über die man nochmal so viel Text schreiben könnte) ergibt es das hier zusehende hypothetische Bild, mit dem ich soweit zufrieden bin.

    Eure Meinung dazu werde mich natürlich auch interessieren. Lasst mich gerne wissen, was ihr dazu denkt. :) :thumbup:


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    (Bildquelle: ich)

    Bild oben: Der "Panzerkoller" trägt sich wirklich angenehm. Die ca. 4,7 kg Gesamtgewicht könnte man so auch längere Zeit locker tragen. Mit ein paar weiteren Accessoires und der Ergänzung einiger, aktuell noch fehlenden Kleidungsstücke für diese Epoche, werde ich in der Zukunft gerne weitere Fotos in getragenem Zustand nachreichen.


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    (Bildquellen: AD1410 & ich)

    Bild oben: Knapp 3 Jahre Bauzeit und 6563 verarbeitete Ringe... Was für ein Wahnsinns-Projekt!



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    (Bildquellen: pinterest)

    Bild oben: Hier seht ihr einige der wenigen erhaltenen Stücke, die ich teils oben im Beitrag erwähnt habe. Oben das Stück ist aus Würzburg, unten links das Stück aus Bern. Unten rechts ist ein Stück zusehen, dass in der Veste Coburg ausgestellt ist. Es wurde bei der Jagd verwendet und sollte den Träger dabei vor Tierangriffen schützen. Kettenringe sind allerdings nur im Würzburger Beispiel verarbeitet.

    Hier möchte ich euch gerne ein weiteres Kunstwerk vorstellen, dass seit einiger Zeit meine Sammlung an Schnitzplastiken ziert. 😍

    Diese 73cm grosse Interpretation eines heiligen Georg orientiert sich an einer Vorlage, die im Bayrischen Nationalmuseum in München zu bestaunen ist und auf 1390/1400 datiert wird.

    Die Nachbildung stammt mit ziemlicher Sicherheit aus der gleichen österreichischen Werkstatt, wie einer meiner heiligen Floriane (noch nicht vorgestellt). Er lässt sich wohl auch ins erste Viertel des 20. Jhd. datieren und trifft das Original erstaunlich gut.

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    (Bildquelle: ich & Bayrisches Nationalmuseum München)