Wichtige historische Eckpunkte zu mittelalterlichen Feuerwaffen

  • Da das Thema hier auf Interesse zu stoßen scheint, möchte ich hier einmal eine Übersicht der wichtigsten historischen Eckpunkte zu mittelalterlichen Feuerwaffen anlegen. Diese ist möglichst kurz gehalten, damit sie informativ und gut lesbar bleibt.


    Wann und wo lässt sich Schwarzpulver erstmals nachweisen? Die frühesten derzeit bekannten und sicher datierbaren Schriftquellen sind chinesisch und stammen bereits aus dem 11. Jhd. Vermutlich entdeckte man das Pulver bei der medizinischen Forschung. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber noch keine Feuerwaffen, das Pulver wurde für Brandbomben und Feuerwerk verwendet.


    Und wie begann nun die Entwicklung der Feuerwaffen? Der wichtige Zwischenschritt zur Feuerwaffe war die sogenannte Feuerlanze. Letztendlich handelte es sich dabei um einen Brandsatz in einer Röhre, der an einem langen Stab geführt wurde. Man richtete ihn auf den Gegner und beschoss diesen mit einem Feuerstrahl. Die Feuerlanze ist in China seit dem 12. Jhd. nachweisbar.


    Wann und wo lassen sich aber nun die frühesten Feuerwaffen nachweisen? Auch hier befinden wir uns wieder in China. Mittlerweile gibt es mehrere archäologische Feuerwaffenfunde aus dem 13. Jhd. Es handelt sich dabei einerseits um Handfeuerwaffen, andererseits um Geschütze mit Gewichten bis zu 100 kg. Ob nun die Handfeuerwaffe oder das stationäre Geschütz eher entstand, lässt sich nicht sicher nachweisen. Die jüngere Forschung bevorzug aber die Handfeuerwaffe, welche sich aus der Feuerlanze ableitete.


    Und die frühesten Feuerwaffen in Europa? Deren Nachweise finden sich erst zu Beginn des 14. Jhd. Die frühen europäischen Pulverrezepte stammen aus der Mitte des 13. Jhd. (Roger Bacon). Aus den 1320er- und 30er-Jahren stammen mehrere umstrittene Schriftquellen, welche Geschütze nennen. Die beiden ältesten sicher datierbaren Nachweise sind zwei Miniaturen des englischen Geistlichen Walter de Milemète aus den Jahren 1326 und 1327. Diese zeigen vasenförmige Bronzerohre, die Pfeile verschießen. Beide Rohre sind überdimensional gezeichnet, um ihre Bedeutung hervorzuheben. Dass die originalen Waffen tatsächlich weitaus kleiner waren, zeigt der älteste europäische Feuerwaffenfund.


    Das älteste Original eines Geschützes in Europa ist die Loshultbüchse, welche sich anhand der genannten Miniaturen ebenfalls um 1320/30 datieren lässt. Es handelt sich um einen Altfund aus Schweden. Das etwa 30 cm lange Bronzerohr verdeutlicht die tatsächlichen Dimensionen der frühen Geschütze.


    Aber Pfeile als Munition? Tatsächlich waren die ersten Feuerwaffen sogenannte Pfeilbüchsen. Diese verschossen Büchsenpfeile, die man sich ähnlich überdimensionaler Armbrustbolzen vorstellen kann. Und von der Armbrust hatte man diese Projektile wohl auch abgeleitet. Originale Büchsenpfeile sind auf Burg Eltz ausgestellt. Später ging man zu Stein- und Bleikugeln über.


    Die frühesten Belege für Handfeuerwaffen in Europa sind Schriftquellen, von denen die ältesten bereits aus den 1340er-Jahren stammen. Zwischen den frühesten derzeit bekannten Schriftquellen und den Originalen sowie Abbildungen gibt es eine große zeitliche Lücke. Die älteste sicher datierbare Abbildung (Bellifortis, Konrad Kyeser) entstand um 1400. Ältere Darstellungen, aus denen sich Kyesers Zeichnungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ableiteten, sind heute nicht mehr erhalten.


    Das älteste sicher datierbare Original einer Handfeuerwaffe aus Europa ist die im germanischen Nationalmuseum ausgestellte Tannenbergbüchse, welche im 19. Jhd. auf der Burg Tannenberg im Odenwald ausgegraben wurde. Die Zerstörung von Burg Tannenberg im Jahre 1399 ist auf den Tag genau überliefert. Da sich die Büchse unter den Trümmern der Burg fand, muss sie vor 1399 entstanden sein. Auch die Tannenbergbüchse steht nicht am Anfang der Entwicklungsreihe der Handfeuerwaffen, ältere Stücke sind aber derzeit nicht bekannt bzw. nicht sicher datierbar.


    Das gekörnte Schießpulver gibt es vermutlich seit Beginn des 15. Jhd. Vorher wurde sogenanntes Mehlpulver verwendet, welches eine dem Namen entsprechende Konsistenz hatte. Seine Bestandteile entmischten sich beim Transport. Das Mehlpulver war unzuverlässig und brannte weniger aggressiv ab als das gekörnte Pulver, insbesondere für Handfeuerwaffen war es wenig geeignet.


    Die Materialien der Feuerwaffen. Die ältesten Originale bestehen aus Bronzeguss. Dieser hat sich als Fertigungsverfahren für Geschütze auch bis in die Neuzeit gehalten. Durch die hohen Kenntnisse im Guss von Glocken war bereits früh die Herstellung von Geschützen möglich. Andererseits konnten Handfeuerwaffen und Kanonen auch aus Schmiedeeisen bestehen. Für Handfeuerwaffen schmiedete man aus einem Flacheisen ein Rohr und verschweißte die Stoßkanten im Feuer. Das hintere Ende verschloss man mit einem eisernen Keil. Die Schwanzschraube wurde erst um 1500 erfunden. Eiserne Geschütze entstanden im Stabringverfahren (Stabringgeschütz). Dieses lässt sich mit der Herstellung eines Daubenfasses vergleichen. Eiserne Stäbe wurden um einen Holzkern gelegt und mit glühend aufgeschrumpften Eisenringen zusammengefügt. Im 15. Jhd. entwickelte sich außerdem der Eisenguss weiter, zunächst für Kanonenkugeln, später z.B. auch für Ofenplatten und Geschütze.


    Zu guter Letzt: Das Thema "Berthold Schwarz". In der populärwissenschaftlichen Literatur findet sich teils bis heute die Behauptung, ein deutscher Mönch namens "Berthold Schwarz" habe das Schießpulver und das Geschütz im 14. Jhd. erfunden (da gab es beides schon lange! ;) ). Diese Fehlvorstellung ist leider insbesondere durch Veröffentlichungen des späten 19. und frühen 20. Jhd. weit verbreitet. Viele Feuerwaffenforscher waren damals kaiserliche Offiziere und dementsprechend daran interessiert, den Ursprung ihrer Waffengattung nach Deutschland zu verlegen. Schnell wurden aber wissenschaftliche Zweifel daran laut. Spätestens die Arbeiten des Bochumer Technikhistorikers Wilfried Tittmann haben "Berthold Schwarz" mittlerweile in das Reich der Legende verwiesen. Tatsächlich taucht dieser Name als "Geschützerfinder" in Schriften des frühen 16. Jhd. auf. Es handelt sich dabei aber um eine Sagengestalt, da man sich bereits damals den Ursprung von Pulver und Feuerwaffen offenbar nicht mehr erklären konnte.


    Empfehlenswerte Literatur

    Zum Thema China: Tonio Andrade, The Gunpowder Age. China, Military Innovation, and the Rise of the West in World History.


    Zu Feuerwaffen: siehe meinen Thread hier: Einstiegsliteratur zu mittelalterlichen Feuerwaffen


    Zu Büchsenpfeilen und Pfeilbüchsen: https://www.ruhr-uni-bochum.de…Buechsenpfeile%20kurz.pdf


    Zu "Berthold Schwarz": https://www.ruhr-uni-bochum.de…ist/tittmann/2%20Ende.pdf


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